Donnerstag, 27. November 2008

Erste Schritte

Liebe Leserinnen und Leser, sollten Sie die Knotenpunkte zum ersten Mal besuchen, so weise ich Sie an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass zwar Frau Brown und ich Menschen aus Fleisch und Blut sind, unser Praktikant aber nur in unseren Köpfen existiert. Logischerweise ist auch seine Mutter nur ein Fantasiegebilde, ein virtuelles Schattenwesen, dem es vollkommen egal ist, wenn ich seine privaten Dinge vor aller Öffentlichkeit ausbreite. Daher gestatte ich mir, hier nun die Coaching-Arbeit mit der werten Frau Mutter, kurz Frau M. genannt, etwas ausführlicher zu beschreiben. Die Arbeit mit meinen realen Kunden würde ich natürlich niemals auf diese Weise veröffentlichen, es sei denn, ich hätte ihr ausdrückliches Einverständnis. Und selbst dann würde ich zu ihrem Schutz biografische Daten so sehr verfremden, dass ein Wiedererkennen für Menschen aus dem näheren Umfeld nicht möglich wäre. Diskretion steht an erster Stelle für jeden seriösen Coach.

Nur wenige Tage nach meinem letzten Gespräch mit dem Praktikanten klingelt mein Telefon im Büro und ich habe tatsächlich die Praktikanten-Mama am Apparat. Ihre Stimme klingt ein wenig zögerlich und ich spüre, dass sie mich schon durch das Telefon hindurch überprüft. Was ist das für Eine? Kann ich der trauen? Nimmt die mich ernst oder will die nur mein Geld? Arbeitet die seriös oder ist das, was sie mir da anbietet, alles nur Schnickschnack, der am Ende nix bringt? Lohnt sich der ganze Aufwand wirklich, oder sollte ich nicht besser einfach noch mal mit einer guten Freundin reden?

Ich verstehe solche Gedanken sehr gut, denn ich habe sie selbst auch immer, wenn ich mich hilfesuchend an einen Profi wende, und sei es nur der Handwerker, der meine Heizung reparieren soll. Frau M. scheint immerhin meine Stimme schon mal angenehm zu finden, denn sie macht tatsächlich einen Termin mit mir ab und kommt ein paar Tage später in mein Büro.

Frau M. ist um die Fünfzig und wirkt noch sehr jugendlich. Sie trägt Jeans und schwarze Lederjacke und wirkt sympathisch. Ich biete ihr einen Kaffee an, dann lächele ich sie ermutigend an und sage:
„Dann erzählen Sie doch mal, warum Sie hergekommen sind.“
Anfangs hat Frau M. Mühe mit ihrem Bericht, sie scheint sich nicht sicher zu sein, was sie jetzt schon preisgeben will und soll. Aus meiner Sicht reichen ein paar Eckdaten. Mir geht es lediglich um das große Thema. Ich möchte einschätzen, ob ich die Richtige für dieses Thema bin. Gute Themen für mich sind z.B. Abschied, Verlust, Trauer, Veränderungen, neue Ziele. Oder grundsätzliche Fragen nach einem erfüllteren Leben. Weniger kompetent bin ich z.B., wenn es um sehr konkrete Hilfe bei beruflichen Veränderungswünschen geht. Ich ebne den Weg, Hilfe bei Jobsuche und Bewerbungen finden Sie aber besser bei einem Job Coach. Absolut ungeeignet bin ich, wenn eine ernsthafte psychische Erkrankung vorliegt. In diesem Fall sollten Sie unbedingt zu einem Arzt oder Psychotherapeuten gehen. Aber Frau M. wirkt kerngesund auf mich und erzählt auch nichts von Depressionen oder anderen nennenswerten Störungen und Beeinträchtigungen.

„Ich bin so orientierungslos“, sagt Frau M., und das scheint mir der Kernsatz in diesem Gespräch zu sein. „Ich sitze zuhause, fühle mich unausgelastet und unzufrieden, aber ich weiß nicht, wie ich das ändern kann. Ich möchte einfach etwas tun, beruflich wieder Fuß fassen, aber ich weiß nicht, wie das gehen kann.“
Ich stelle ein paar Fragen, um herauszufinden, was Frau M. sich von einem Coaching erhofft, dann sage ich zusammenfassend:
„Wenn ich Sie richtig verstehe, suchen Sie neue Herausforderungen. Ihre Kinder sind aus dem Haus und nachdem Sie viele Jahre nicht berufstätig waren, fehlt Ihnen jetzt etwas. Wir könnten daran arbeiten, dass Sie neue Perspektiven für Ihr Leben entwickeln. Ich unterstütze Sie darin, Ziele zu finden und diese auch zu erreichen. Wenn man in seinem Leben grundlegende Dinge ändern möchte, ist das ein Prozess, der aus vielen kleinen Schritten besteht. Ich begleite Sie bei den ersten Schritten und bestärke Sie darin, weiter zu gehen. Sie werden sehen, nach dem Coaching fühlen Sie sich einfach besser. Sie haben ein klares Ziel, auf das Sie hinarbeiten können. Sie werden motiviert sein und mehr Energie verspüren.“
Frau M. setzt diesen skeptischen Blick auf, den ich schon von ihrem Sohn kenne.
„Das klingt ja fast märchenhaft. Und wer garantiert mir, dass es auch funktioniert?“
„Niemand. Ich helfe Ihnen, Ihre Talente wieder zu entdecken und sich Ihrer eigenen Stärken bewusst zu sein. Was Sie daraus dann machen, liegt ganz bei Ihnen. Sie werden nach dem Coaching kein neuer Mensch sein, aber Sie werden neue Möglichkeiten entdecken, um Ihr Leben zu gestalten. Das kann ich Ihnen tatsächlich garantieren.“
Der skeptische Blick ist immer noch da.
„Lassen Sie sich das alles einfach in Ruhe durch den Kopf gehen“, empfehle ich. „Sie müssen sich nicht sofort entscheiden, ob Sie mit mir arbeiten wollen. Und auch später können Sie jederzeit wieder aufhören. Sie entscheiden nach jeder Stunde neu, ob und wie Sie weitermachen möchten.“
Das scheint Frau M. zu überzeugen. Ob ich denn überhaupt mit ihr arbeiten wolle? Ja, das will ich gerne. Ich habe ein gutes Gefühl bei dem Gedanken an die Arbeit mit Frau M. Wir sprechen noch kurz über mein Honorar, dann verabschiedet sich Frau M. Mal sehen, ob sie sich wieder meldet.

Fortsetzung folgt

Mittwoch, 26. November 2008

Religiöser Eifer

Richard Dawkins provoziert mal wieder. Sein Hass auf alles Metaphysische grenzt wahrlich an religiösen Eifer. Im Januar sollen Londoner Busse mit der Aufschrift „There’s probably no God. Now stop worrying and enjoy your life“ durch die Straßen von Westminster kurven. Dafür sammelt die British Humanist Association seit Ende Oktober Spenden. Ihr ursprüngliches Ziel von 5.500 Pfund, die Dawkins aus eigener Tasche zu verdoppeln versprochen hatte, wurde innerhalb von zehn Stunden erreicht. Inzwischen haben die Organisatoren gemeldet, über 100.000 Pfund beisammen zu haben, mit denen sie landesweit entsprechende Aktionen finanzieren wollen. Noch schneller war freilich der amerikanische Schwesterverband: In Washington D. C. ist die Kampagne bereits angerollt. Seit dem 19. November steht dort auf Bussen die Frohe Botschaft zu lesen: „Why believe in a god? Just be good for goodness' sake“.

Der Slogan, so Dawkins und die Initiatorin Ariane Sherine, soll zum Nachdenken, zum Diskutieren anregen und einen Kontrapunkt setzen zu der kirchlichen Erlösungspropaganda, mit der wir überall berieselt werden. Dass er ganz konziliant lautet: “Es gibt wahrscheinlich keinen Gott”, begründet Sherine als Zugeständnis an die britische Werbeaufsichtsbehörde. Außerdem lasse sich die Nichtexistenz ebenso wenig wie die Existenz eines Gottes wissenschaftlich nachweisen, sei also genauso eine Glaubensfrage, und der Atheismus verstehe sich ausdrücklich nicht als Bekenntnis zum Glauben – vielmehr eben zum Zweifeln und Hinterfragen.

Schön und gut. Mir persönlich ist diese Botschaft durchaus sympathisch, und die T-Shirts dazu sehen echt ganz cool aus. (Der Praktikant hat sich gleich eins bestellt – wir haben ihm allerdings gesagt, dass er das bitte nicht im Büro trägt. Bei uns soll sich schließlich kein Kunde vor den Kopf gestoßen fühlen. Schlimm genug, dass er mit diesem Totenschädel auf der Brust herumläuft!) Nur: Was mich an Glaubensgemeinschaften am allermeisten stört, ist zum einen der Fanatismus, mit dem sie Andersdenkende bekehren wollen, und zum anderen die unheilige Allianz aus geldlicher, weltlicher und göttlicher Macht. Muss man Atheismus wirklich predigen? Und vor allem: Sollte man für Weltanschauungen Reklame machen, als wären sie die Wochenschnäppchen eines Möbelhauses?

Montag, 24. November 2008

Gedenken

Viele Menschen waren gestern am Totensonntag auf den Friedhöfen unterwegs, um im Gedenken an geliebte Verwandte und Freunde Blumen und Tannengestecke auf die Gräber zu legen. Bei frostigen Temperaturen und fahlblauem Winterhimmel besuchte auch ich das Grab meiner Eltern, ließ meine Erinnerungen treiben, zündete ein Licht an und sammelte ein paar dunkelrote Ahornblätter von der hartgefrorenen Erde auf.

Die Menschen, die mir begegneten, kamen meistens in kleinen Gruppen daher, Alte und Junge, Verwandte, Freunde, die sich zum gemeinsamen Erinnern auf den Weg gemacht hatten. Nur Wenige waren, so wie ich, alleine unterwegs, und es waren immer Frauen. Wir schauten einander wissend in die Augen und gingen anschließend schweigend weiter. Wir Frauen sind oft alleine mit unserer Trauer. Nicht nur, weil die Männer meistens viel früher sterben und ihre Frauen zurücklassen, sondern auch, weil Frauen öffentlicher trauern. Sie gehen auf den Friedhof, pflegen die Gräber, schmücken sie mit Blumen, Steinen und anderen Symbolen ihrer Liebe. Sie sprechen über ihren Verlust, ihren Schmerz, ihre Erinnerungen. Sie schämen sich nicht, auch nach vielen Jahren noch Tränen zu vergießen, weil sich die Lücke nie schließen ließ, die jemand hinterlassen hat.

Männer machen ihre Trauer häufig still mit sich selbst ab. So, wie es ihnen immer noch schwerer als Frauen fällt, über Gefühle zu sprechen, so finden sie auch für das Abschiednehmen und Gedenken andere, weniger öffentliche Wege. Für uns Frauen ist das manchmal schwer auszuhalten, weil wir glauben, die Männer würden nicht trauern, sie würden ihren Schmerz verdrängen. Doch das ist keineswegs so, sie trauern eben nur anders. Es gibt kein Richtig oder Falsch beim Trauern. Wichtig ist nur, dass man für sich einen Weg findet, der stimmig ist, der zu einem selbst passt.

Oft hilft es, Trauer zu verarbeiten, indem man etwas mit seinen Händen macht. Daher gibt es viele Künstler, die sich intensiv mit Abschied und Gedenken auseinander setzen. Einige Ergebnisse sind jetzt in einer Ausstellung im Hamburger Lotsenhaus zu sehen. Vier Künstler haben sich auf sehr unterschiedliche Weise dem Thema genähert. Die Bandbreite reicht von Keramiken über Metallskulpturen und florale Kunstwerke bis hin zu außergewöhnlich gestalteten Urnen und Särgen. Dabei hat diese Ausstellung nichts Morbides oder Effekthaschendes an sich. Es sind vielmehr die leisen Töne, die hier überwiegen. Es geht um eine würdevolle Auseinandersetzung mit dem Tod, um den Versuch einer Annäherung an etwas, das vielen Menschen Angst macht und das sie lieber verdrängen möchten. Und doch können wir das nicht. Kaum ein erwachsener Mensch ist noch nicht mit dem Tod konfrontiert worden, musste noch nicht Abschied nehmen von Großeltern, Eltern, Freunden oder gar Kindern.

Die Mitarbeiter des Hamburger Lotsenhauses schlagen nicht nur mit dieser Ausstellung Brücken. Sie stellen auch schön gestaltete Räume zur Verfügung, in denen alle Menschen, unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit, die Möglichkeit haben, Abschied zu nehmen und für sich selbst ihre ganz persönlichen Momente des Erinnerns zu schaffen. Vielleicht spricht dieser besondere Ort ja sogar Männer an, die es nicht so mit Friedhöfen und Blümchen haben, und ermutigt sie, neue Wege des Gedenkens zu finden.

Samstag, 22. November 2008

Psycho-Kram

Manchmal hege ich doch so meine Zweifel, ob ich mir für die Knotenpunkt das richtige Team zusammengestellt habe. Hören mir die Kollegen eigentlich zu, wenn ich etwas erzähle? Bilden sie sich in meinem Sinne weiter? Ich mache jetzt mal ein ganz großes Fragezeichen hinter diesen Satz. Immerhin, unser junger Praktikant hat doch das ein oder andere Gespräch mit mir recht aufmerksam verfolgt, das überrascht mich nun wieder positiv. Wohingegen Frau Brown… Also, unter uns gesagt: Ich bin erschüttert über ihre Ahnungslosigkeit.

Wie oft habe ich schon gesagt:
„Coaching ist keine Beratung. Man erteilt nicht einfach Ratschläge, an die sich die Klienten dann halten können oder auch nicht. Coaching ist Hilfe zur Selbsthilfe. Ich unterstütze die Klienten darin, eigene Lösungen zu finden. Er (oder sie) muss seinen eigenen Weg finden, ich helfe nur beim Suchen.“
Aber hört mir mal jemand richtig zu, um auch in meiner Abwesenheit Kunden kompetent beraten zu können? Nein. Ich muss mich hier wirklich selbst um alles kümmern.

Der Witz beim Coaching ist eben gerade, dass die Klienten ihre eigenen Ideen entwickeln. Darum ist das Ganze dann auch so wirkungsvoll. Denn nur das, was aus mir selbst heraus kommt, ist absolut stimmig für mich. Wir alle tragen eine Menge Ressourcen in uns, Fähigkeiten, Begabungen, Talente, Charaktereigenschaften, die uns stark machen. Oft ist es nur so, dass diese Kompetenzen im Laufe eines Lebens dank vieler kleiner und großer Umstände verloren gehen – und zwar so gründlich, dass wir uns selbst nicht mehr an sie erinnern. Dann behaupten wir etwa, überhaupt kein Selbstvertrauen zu besitzen und vergessen ganz, wie viel Vertrauen wir in Wahrheit doch schon in unsere eigenen Fähigkeiten gesetzt haben. Oder hat es etwa nicht mit Selbstvertrauen zu tun, wenn wir uns auf einen neuen Job bewerben und behaupten, der Beste dafür zu sein? Sind wir nicht sehr von uns selbst überzeugt, wenn wir uns zutrauen, Kinder in die Welt zu setzen und sie zu erziehen? Wirken wir nicht total souverän, wenn wir in der Firma eine Präsentation halten, auf die wir uns gründlich vorbereitet haben (auch, wenn wir innerlich vor Aufregung fast kollabieren)? Haben wir es etwa nicht geschafft, Laufen zu lernen, Radfahren zu lernen, Autofahren zu lernen?

Die verschütteten Ressourcen wieder freizulegen, ist eines der Hauptanliegen im Coaching. Wenn das gelingt, dann schafft es der Kunde in Zukunft besser, mit schwierigen Situationen umzugehen, egal worum es geht. Ob das Psycho-Kram ist oder einfach nur ein prima Weg, etwas fröhlicher, gelassener, selbstbewusster, zielstrebiger, wertorientierter durchs Leben zu wandern, bleibt Jedem selbst überlassen. Was es jedenfalls nicht ist: Eine Wunderwaffe gegen alles Elend dieser Welt. Ein Rundumsorglospaket für die eigene Zukunft. Ein Allheilmittel gegen alle eigenen Ängste und Nöte. Das wäre ja nun auch wirklich zu schön.

„Kannst du denn nun meiner Mutter helfen?“ fragt der Praktikant ungeduldig. „Das weiß ich nicht“, entgegne ich wahrheitsgemäß, was ihn prompt dazu veranlasst, diesen misstrauischen Blick aufzusetzen, den ich oft an ihm beobachte.
„Sag deiner Mutter, sie soll mich mal anrufen und einen Termin für ein Erstgespräch mit mir vereinbaren. Dann klären wir ganz unverbindlich, ob ich die richtige Adresse für sie bin und ob wir einander sympathisch sind. Das ist ganz wichtig, sonst können wir uns nicht so eng aufeinander einlassen.“
„Ach, die wird dich schon mögen. Du bist doch ganz locker.“
Das ist nun wohl das größte Kompliment, das ich von unserem Praktikanten hören werde, und es macht mich ein bisschen verlegen. Dennoch mahne ich:
„Das findest du. Aber deine Mutter legt vielleicht auf ganz andere Dinge Wert. Sie muss mich mögen, nicht du. Also, gib ihr meine Nummer, dann beantworte ich alle ihre Fragen.“
Na, ich bin ja gespannt, wie diese Geschichte weiter geht.

Fortsetzung folgt.

Freitag, 21. November 2008

Motivation (und all dieser Psycho-Kram)

Heute morgen hat der Praktikant mir doch tatsächlich einen Kaffee an den Schreibtisch gebracht – auch noch in meinem Lieblingsbecher, den er extra abgewaschen haben muss. Hätte ich nicht geahnt, dass er etwas von mir will, ich wäre richtig gerührt gewesen. Nach ein bisschen Herumgedruckse rückte er mit seinem Anliegen heraus.
„Sag mal, Beate, würdest du dich eigentlich coachen lassen?“
Ach herrje. Wenigstens geht es nicht schon wieder um sein Gehalt. „Wie kommst du denn darauf?“ frage ich zurück. „Meinst du, ich hätte das mal nötig, ja?“
„Na ja, wenn ich‘s richtig verstehe, geht es doch hauptsächlich darum, sich Rat zu holen, wo man nicht so recht weiter weiß. Das könnten wir doch alle manchmal ganz gut gebrauchen! Meine Mutter sagt immer, früher sind die Leute halt mit ihren Problemen zum Pfarrer gegangen, und heute schlagen sie sich alleine damit herum.“
„Ich hab gar nicht die Kohle für so was.“
„Wieso, du hast doch gerade über hundert Euro für deine komischen veganen Stiefel ausgegeben! Und dann rennt ihr ständig in Konzerte von irgendwelchen obskuren Retro-Bands ... Katharina sagt, du musst selber wissen, wie viel du dir wert bist: ob du dein ganzes Geld für Statussymbole und Vergnügen ausgeben oder in nachhaltige Veränderungen investieren willst.“
Nun bin ich doch schwer beeindruckt. „Mensch, Prakti, manchmal hörst du ja richtig zu, wenn wir dir was erklären. Hätten wir gar nicht von dir gedacht!“
„Weißt du“, sagt er abrupt, „ich mach mir halt Sorgen um meine Mutter. Von unserm Alten ist sie ja schon ewig geschieden, und jetzt, wo meine Schwester und ich auch aus dem Haus sind, habe ich echt das Gefühl, ihr fällt ganz schön die Decke auf den Kopf. Jedenfalls liest sie Katharinas Coaching-Texte immer total aufmerksam. Glaubst du, das wär‘ was für sie?“
„Woher soll ich das wissen, ich kenn‘ deine Mutter doch gar nicht. Warum ruft sie nicht einfach mal an und macht einen Termin mit Katharina?“
„Hab ich ihr auch schon gesagt. Aber ich glaube, sie traut sich nicht.“
„Wieso ‚traut‘? Wovor hat sie denn Angst“
„Na ja, sie sagt halt, sie weiß gar nicht, was da auf sie zukommt, wie so was überhaupt abgeht und mit welchen Erwartungen sie da selber rangehen kann. Würde Katharina ihr zum Beispiel auch praktische Tips geben, an was für Stellen sie sich konkret wenden kann, um noch was Neues anzufangen? Oder geht es beim Coaching wirklich nur um Motivation und so‘n Psycho-Kram?“
„Weißt du, wahrscheinlich solltest du den ‚Psycho-Kram‘ nicht unterschätzen. Wer einmal weiß, wo er hinwill, findet den Weg meistens selbst.“
„Oder sie“, sagt der Praktikant. Braver Junge. Ich als alte Feministin habe den tagtäglichen Kampf um eine gerechte Sprache längst aufgegeben, mensch wird dann immer nur blöd angeguckt. Und wenn ich beim Übersetzen auf dem Binnen-I bestehen würde, hätte ich vermutlich bald keine Aufträge mehr.
„Du, ich kenn‘ mich damit genauso wenig aus wie du. Warum fragen wir Katharina nicht einfach, wenn sie nachher kommt? Vielleicht schreibt sie ja mal einen Text für Menschen wie deine Mutter.“
„Äh, Beate ...“, sagt der Praktikant mit einer Kopfbewegung in Richtung Tür. Ich drehe mich um, und dort steht sie schon und grinst übers ganze Gesicht.
„Wisst ihr was? Ihr solltet glatt mal einen Werbefilm für meine Firma drehen! Eure Dialoge sind bloß ein wenig langatmig, um nicht zu sagen lahmarschig ...“
„Man könnte sich ja ein, zwei knackige Wortwechsel herausgreifen“, schlägt der Praktikant vor. Er sieht sich wohl schon als Filmstar.
Katharina lacht. „Den Rest des Drehbuchs schreibe ich lieber selber, ihr beiden Helden habt ja wirklich null Ahnung davon, was ich so mache. – Mensch, Beate, bei dir sieht‘s ja mal wieder aus wie Kraut und Rüben. Könntest du nachher bitte deine Tür zumachen, ich kriege Kundenbesuch?“

Fortsetzung folgt

Abschied
Aus dem Kiez
Coaching
Das Krimi-Experiment
Dies und Das
Feierabend
Kommunikation
Kreatives Schreiben
Leben
Lost in Translation
Nachgedacht
Schnappschüsse
Singles
Termine
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