Erste Schritte

Liebe Leserinnen und Leser, sollten Sie die Knotenpunkte zum ersten Mal besuchen, so weise ich Sie an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass zwar Frau Brown und ich Menschen aus Fleisch und Blut sind, unser Praktikant aber nur in unseren Köpfen existiert. Logischerweise ist auch seine Mutter nur ein Fantasiegebilde, ein virtuelles Schattenwesen, dem es vollkommen egal ist, wenn ich seine privaten Dinge vor aller Öffentlichkeit ausbreite. Daher gestatte ich mir, hier nun die Coaching-Arbeit mit der werten Frau Mutter, kurz Frau M. genannt, etwas ausführlicher zu beschreiben. Die Arbeit mit meinen realen Kunden würde ich natürlich niemals auf diese Weise veröffentlichen, es sei denn, ich hätte ihr ausdrückliches Einverständnis. Und selbst dann würde ich zu ihrem Schutz biografische Daten so sehr verfremden, dass ein Wiedererkennen für Menschen aus dem näheren Umfeld nicht möglich wäre. Diskretion steht an erster Stelle für jeden seriösen Coach.

Nur wenige Tage nach meinem letzten Gespräch mit dem Praktikanten klingelt mein Telefon im Büro und ich habe tatsächlich die Praktikanten-Mama am Apparat. Ihre Stimme klingt ein wenig zögerlich und ich spüre, dass sie mich schon durch das Telefon hindurch überprüft. Was ist das für Eine? Kann ich der trauen? Nimmt die mich ernst oder will die nur mein Geld? Arbeitet die seriös oder ist das, was sie mir da anbietet, alles nur Schnickschnack, der am Ende nix bringt? Lohnt sich der ganze Aufwand wirklich, oder sollte ich nicht besser einfach noch mal mit einer guten Freundin reden?

Ich verstehe solche Gedanken sehr gut, denn ich habe sie selbst auch immer, wenn ich mich hilfesuchend an einen Profi wende, und sei es nur der Handwerker, der meine Heizung reparieren soll. Frau M. scheint immerhin meine Stimme schon mal angenehm zu finden, denn sie macht tatsächlich einen Termin mit mir ab und kommt ein paar Tage später in mein Büro.

Frau M. ist um die Fünfzig und wirkt noch sehr jugendlich. Sie trägt Jeans und schwarze Lederjacke und wirkt sympathisch. Ich biete ihr einen Kaffee an, dann lächele ich sie ermutigend an und sage:
„Dann erzählen Sie doch mal, warum Sie hergekommen sind.“
Anfangs hat Frau M. Mühe mit ihrem Bericht, sie scheint sich nicht sicher zu sein, was sie jetzt schon preisgeben will und soll. Aus meiner Sicht reichen ein paar Eckdaten. Mir geht es lediglich um das große Thema. Ich möchte einschätzen, ob ich die Richtige für dieses Thema bin. Gute Themen für mich sind z.B. Abschied, Verlust, Trauer, Veränderungen, neue Ziele. Oder grundsätzliche Fragen nach einem erfüllteren Leben. Weniger kompetent bin ich z.B., wenn es um sehr konkrete Hilfe bei beruflichen Veränderungswünschen geht. Ich ebne den Weg, Hilfe bei Jobsuche und Bewerbungen finden Sie aber besser bei einem Job Coach. Absolut ungeeignet bin ich, wenn eine ernsthafte psychische Erkrankung vorliegt. In diesem Fall sollten Sie unbedingt zu einem Arzt oder Psychotherapeuten gehen. Aber Frau M. wirkt kerngesund auf mich und erzählt auch nichts von Depressionen oder anderen nennenswerten Störungen und Beeinträchtigungen.

„Ich bin so orientierungslos“, sagt Frau M., und das scheint mir der Kernsatz in diesem Gespräch zu sein. „Ich sitze zuhause, fühle mich unausgelastet und unzufrieden, aber ich weiß nicht, wie ich das ändern kann. Ich möchte einfach etwas tun, beruflich wieder Fuß fassen, aber ich weiß nicht, wie das gehen kann.“
Ich stelle ein paar Fragen, um herauszufinden, was Frau M. sich von einem Coaching erhofft, dann sage ich zusammenfassend:
„Wenn ich Sie richtig verstehe, suchen Sie neue Herausforderungen. Ihre Kinder sind aus dem Haus und nachdem Sie viele Jahre nicht berufstätig waren, fehlt Ihnen jetzt etwas. Wir könnten daran arbeiten, dass Sie neue Perspektiven für Ihr Leben entwickeln. Ich unterstütze Sie darin, Ziele zu finden und diese auch zu erreichen. Wenn man in seinem Leben grundlegende Dinge ändern möchte, ist das ein Prozess, der aus vielen kleinen Schritten besteht. Ich begleite Sie bei den ersten Schritten und bestärke Sie darin, weiter zu gehen. Sie werden sehen, nach dem Coaching fühlen Sie sich einfach besser. Sie haben ein klares Ziel, auf das Sie hinarbeiten können. Sie werden motiviert sein und mehr Energie verspüren.“
Frau M. setzt diesen skeptischen Blick auf, den ich schon von ihrem Sohn kenne.
„Das klingt ja fast märchenhaft. Und wer garantiert mir, dass es auch funktioniert?“
„Niemand. Ich helfe Ihnen, Ihre Talente wieder zu entdecken und sich Ihrer eigenen Stärken bewusst zu sein. Was Sie daraus dann machen, liegt ganz bei Ihnen. Sie werden nach dem Coaching kein neuer Mensch sein, aber Sie werden neue Möglichkeiten entdecken, um Ihr Leben zu gestalten. Das kann ich Ihnen tatsächlich garantieren.“
Der skeptische Blick ist immer noch da.
„Lassen Sie sich das alles einfach in Ruhe durch den Kopf gehen“, empfehle ich. „Sie müssen sich nicht sofort entscheiden, ob Sie mit mir arbeiten wollen. Und auch später können Sie jederzeit wieder aufhören. Sie entscheiden nach jeder Stunde neu, ob und wie Sie weitermachen möchten.“
Das scheint Frau M. zu überzeugen. Ob ich denn überhaupt mit ihr arbeiten wolle? Ja, das will ich gerne. Ich habe ein gutes Gefühl bei dem Gedanken an die Arbeit mit Frau M. Wir sprechen noch kurz über mein Honorar, dann verabschiedet sich Frau M. Mal sehen, ob sie sich wieder meldet.

Fortsetzung folgt

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