Dienstag, 9. Dezember 2008

Aphorismus

Deutsche Wintersonne, sagte mir mal jemand aus südlicheren Gefilden, sei wie das Licht im Kühlschrank.

Montag, 8. Dezember 2008

Machtspielchen

Neulich rief mich ein langjähriger Stammkunde an und wollte mir – wieder einmal – übers Wochenende ein umfangreiches, anspruchsvolles, mit einigem Rechercheaufwand verbundenes Projekt aufdrücken. Diesmal habe ich dankend abgelehnt – und zwar aus Prinzip. Gewiss, ich hätte es schon irgendwie hingekriegt. Nicht umsonst bin ich bekannt dafür (und stolz darauf), dass ich immer alles irgendwie hinkriege. Ich hätte halt meine Wochenendplanung umschmeißen, Verabredungen absagen und mich unter Hochdruck setzen müssen. Und das mitten im Advent, wo man es doch ab und zu ganz gerne beschaulicher und gemütlicher angehen lässt.

Alle Leute, mit denen ich zusammenarbeite, wissen genau, dass ich dazu fast immer bereit bin – wenn es nicht anders geht. In diesem Fall handelte es sich um die Würdigung eines Jubiläums, die rein theoretisch zehn, ja fünfzig Jahre im voraus planbar gewesen wäre. Was sollen also immer diese just in time-Bestellungen? Die Knotenpunkte sind schließlich kein Zulieferbetrieb, dessen Waren bis zu ihrer Weiterverwendung in klimatisierten Lagerhallen aufbewahrt werden müssen. Ganz im Gegenteil, liebe Kunden: Unsere Texte gelingen um so besser, je länger Sie uns Zeit lassen, an ihnen herumzufeilen.

Zudem kenne ich die Abläufe in jener Firma sehr gut und weiß daher: Dass der Anruf am Freitagvormittag kam statt vor vier Wochen, lag einzig und allein an der Schusseligkeit des betreffenden Mitarbeiters. Er räumt das sogar freimütig ein – um mir im nächsten Atemzug an den Kopf zu werfen, wie „enttäuscht“ er von mir sei. Nicht im Traum hätte er damit gerechnet, dass ich ihm einen Korb gebe, „und dann auch noch mit so einer fadenscheinigen Begründung!“

Konfliktscheu wie ich bin, blieb ich doch standhaft. Mein Wochenende war trotzdem verdorben. Denn während ich mit meinem Schatz am Frühstückstisch saß und mit meiner Freundin durchs Museum schlenderte, maulte mein schlechtes Gewissen vor sich hin: Mit ein bisschen gutem Willen hättest du das geschafft. Das Geld hättest du gut gebrauchen können, und der Auftraggeber wäre dir einen Gefallen schuldig!

Ich frage mich, welche Machtstrukturen dabei eigentlich im Spiel waren: das „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“-Syndrom, wie meine Freundin meinte? („Er hatte ein Problem und hat versucht, es auf dich abzuwälzen. Gut, dass du das nicht mit dir machen lässt!“) Sie kennen das ja: der Geschlechterkampf als clash of civilizations, in dem sich die Fußtruppen zweier verfeindeter Planeten um die Vorherrschaft über die Erde bekriegen. Vor ein paar Jahren waren Buchhandlungen und weihnachtliche Gabentische voll von solchen Titeln.

Mir sind derartige Erklärungsmuster zu primitiv. Lieber wittere ich eine fiese Verschwörung der Führungselite gegen uns kleine Schreiberlinge, das Lumpenproletariat der Kommunikationsgesellschaft. Jeder Agenturchef, jeder Redakteur, jeder Verlagslektor weiß, dass wir Freien allen möglichen Dreck fressen – man muss uns nur gelegentlich ein paar Brotkrümel oder Brosamen hinwerfen!

Der Praktikant, der unser Telefonat am Freitag zufällig mitgehört hat, zuckt mal wieder mit den Achseln. „Du bist Dienstleisterin, und wenn du keinen Bock hast, deinen Kunden zu liefern, was und wann sie es brauchen, musst du dich gar nicht wundern, wenn deine Auftragslage bald ganz schön mau aussieht! Wer bezahlt, der bestellt, so ist das nun mal“, belehrt er mich ungerührt, „ob‘s dir passt oder nicht.“ Was ist denn in den gefahren? Hat er etwa einen Selbsthilferatgeber für Möchtegern-Manager verschluckt („Zack! In meinem Team muckt keiner auf“), oder liegt es nur daran, dass er selber vom Mars stammt?

Vor all diesen Rätseln des Alltags kapituliere ich erstmal, schlage ihnen meine Bürotür vor der Nase zu und entscheide mich fürs produktive Schmollen.

Freitag, 5. Dezember 2008

Coaching mit Frau M. – Teil 1

Frau M. kommt in ihre erste Coachingstunde zu mir. Wir haben anderthalb Stunden Zeit, in denen Frau M. zunächst noch mal ausführlicher erzählt, was sie auf dem Herzen hat.
„Was ist Ihr Ziel für die Arbeit mit mir?“ frage ich. „Was möchten Sie gerne erreichen?“ Die Antwort kommt schnell:
„Ich möchte wieder arbeiten und meine Zeit sinnvoll füllen.“
Nun bin ich keine Jobvermittlerin und kann daher keinen Arbeitsplatz für Frau M. aus dem Hut zaubern. Also frage ich noch mal genauer nach:
„Angenommen, dieses Coaching war erfolgreich, was ist dann anders in Ihrem Leben?“ Diesmal denkt Frau M. einen Augenblick nach.
„Dann habe ich Ideen, wie ich die Jobsuche anpacken kann. Und ich habe auch den Mut, mich endlich auf den Weg zu machen.“
Mut und Ideen, denke ich, das klingt gut. Das Ziel unserer Arbeit wird also sein, dass Frau M. herausfindet, wie sie ihren nächsten Lebensabschnitt gestalten möchte und das Selbstbewusstsein erlangt, diese Veränderungen auch in Gang zu bringen.

Zunächst nehmen wir eine Standortbestimmung vor. Wie ist Frau M.s momentane Situation? Welche Bereiche ihres Lebens sind stark ausgeprägt, welche weniger? Wo läuft ihr Lebensrad rund, wo eiert es ein wenig? Um das herauszufinden, bastele ich mit Kreppband und bunten Pappkärtchen ein Lebensrad auf dem Fußboden. Jede Karte symbolisiert einen Bereich des Lebens – Familie, Beruf, Gesundheit, etc. Mit farbigen Stiften kann Frau M. nun auf den Karten markieren, wie ihre momentane Situation ist und was sie sich für die Zukunft wünscht. Auf diese Weise lässt sich das Leben von Frau M. sehr schön visualisieren. Außerdem zwingt diese Arbeit am Boden sie, sich schon jetzt zu bewegen. Sie stellt sich mit den Schuhen auf die einzelnen Karten, die ihre Lebensbereiche symbolisieren, wandert zwischen Beruf und Partnerschaft hin und her und pendelt zwischen Gegenwart und Zukunft. Das ist jetzt und das soll in Zukunft sein.

Es wird schnell deutlich, dass Frau M. ihre Kinder sehr wichtig sind. Obwohl ihr Sohn (unser Praktikant) und seine Schwester nicht mehr zuhause wohnen, haben sie engen Kontakt zur Mutter. Das gibt Frau M. ein Gefühl von Geborgenheit. Körperlich geht es ihr gut, sie treibt viel Sport und fühlt sich für ihr Alter sehr fit. Aber sie leidet sehr darunter, dass sie nur einen kleinen Freundeskreis hat, was ihr erst richtig bewusst wurde, nachdem ihre Tochter vor wenigen Monaten auszog und sie nun ganz alleine in der großen Wohnung ist. Nach ihrer Scheidung sind ihr viele Freunde abhanden gekommen, weil sie mehr zu ihrem Mann als zu ihr zu gehören schienen.
„Ich bin müde“, sagt Frau M., als sie auf dem Energie-Feld steht, „wie gelähmt irgendwie. Ich habe Angst davor, Neues in Angriff zu nehmen, weil ich überhaupt nicht weiß, wie ich das machen soll. Jetzt bin ich so lange aus dem Beruf raus, dass ich mir auf beruflicher Ebene gar nichts mehr zutraue.“
Als es um das Thema Partnerschaft geht, wird sie sehr still.
„Mein Mann hat mich vor fünf Jahren wegen einer anderen Frau sitzen lassen“, erzählt sie nach einer Weile, und ich höre aus ihrer Stimme heraus, dass sie immer noch tief verletzt ist. „Knall auf Fall stand ich mit den Kindern alleine da. Ich hatte nie den Mut, mich auf eine neue Beziehung einzulassen.“
Fehlender Mut scheint ein zentrales Thema in Frau M.s Leben zu sein, denke ich, und Trauer und Verletzungen schwingen auch immer wieder mit. Behutsam begleite ich sie von Lebensfeld zu Lebensfeld. Für die geplanten Veränderungen formulieren wir einen klaren Zeitraum:
„Wie soll Ihr Leben in einem Jahr aussehen?“ frage ich und Frau M. beginnt davon zu träumen, was sie alles erreichen möchte. Mit kritischen Fragen bringe ich sie dazu, keine unrealistischen Fantasien zu hegen, sondern genau zu überlegen, was sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten wirklich schaffen kann. Wo sind Hindernisse? Was gilt es zu bedenken? Am Ende schaut Frau M. mit einem Lächeln auf ihr Lebensrad:
„Das sind schöne Aussichten. Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht.“
In dieser positiven Stimmung beenden wir die Arbeit für heute. Ich bitte Frau M. noch um ein kurzes Feedback.
„Ich bin ganz überrascht, was hier alles zutage kommt“, sagt sie. „Irgendwie hatte ich mir das ganz anders vorgestellt.“ Sie sieht zufrieden aus. „Und jetzt bin ich gespannt, wie es weiter geht.“
Das bin ich auch.

Fortsetzung folgt

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Es weihnachtet sehr

Ich mag es ja gerne weihnachtlich. Meine Wohnung sieht im Dezember immer aus wie eine Weihnachtsmarktbude: Überall stehen und hängen Figuren aus dem Erzgebirge, die zum Teil schon sehr alt sind. Räuchermännchen, Engel, Bergmänner, Krippenfiguren. Das ist eine Tradition, die ich von meinen Eltern übernommen habe und die wohl eine der wenigen Familientraditionen ist, die auch alle meine Geschwister beibehalten haben. Wir gehen nicht mit der Zeit, hängen niemals lilafarbene Christbaumkugeln auf oder schwarze Sterne, kaufen keinen Kitsch "made in China" und werfen im Januar auch nicht alles weg, um es im nächsten Jahr neu zu kaufen. Einige meiner Figuren sind, wie gesagt, sehr alt und stammen noch von meinen Großeltern. Den Engelchen fehlen oft schon die Flügel und ihre Hemden sehen recht fadenscheinig aus. Den Sternsingern sind Stern und Gesangbücher abhanden gekommen. Der Stern über der Krippe fällt immer mal wieder ab. Aber das macht nichts. Dafür sind diese Figuren nicht nur dauerhaft mit dem würzigen Duft von Räucherkerzen, Tannengrün und Kerzenwachs behaftet. Sie tragen auch die Erinnerungen an viele, viele Weihnachtsfeste mit sich, und wenn ich daran denke, werde ich doch ein wenig sentimental.

Nun war es an der Zeit, auch das Büro der Knotenpunkte festlich zu gestalten. Der Praktikant findet das natürlich kitschig. Frau Brown verdreht hinter meinem Rücken die Augen - ich hab das gesehen! -, aber ich habe mich nicht von der Idee abbringen lassen. Zu meiner großen Freude hat mir Hennii von Think Positive zur Seite gestanden und eifrigst gebastelt. Das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen, finde ich. Jedenfalls bin ich sehr begeistert von dem weihnachtlichen Header, der das Blog jetzt schmückt. Besonders zauberhaft finde ich ja den roten Faden, der sich natürlich auch durch die Adventszeit hindurch zieht. An dieser Stelle noch mal ein ganz herzliches Dankeschön an Hennii!!! Und falls Ihnen dieser weihnachtliche Blogschmuck gefällt, dann gehen Sie mal rüber zu ihm, er bastelt Ihnen sicher auch gerne so was Feines. Ein Besuch in seinem schönen Blog lohnt sich sowieso immer, auch dann, wenn man keinen Weihnachtsschmuck braucht. Da geht es viel um krankmachende Diäten und anderes ungesundes Zeugs, um Themen also, die gerade in dieser Jahreszeit immer besonders aktuell sind.

Sonntag, 30. November 2008

Biotop

Bei uns in der Nähe gibt es einen Park, der auf Initiative Turnvater Jahns vom einstigen kurfürstlichen Jagdgelände zur Leibesertüchtigung der Unterschichten umfunktioniert wurde und inzwischen regelmäßig in den Brennpunkt gerät, wenn die Medien sich wieder mal für Berliner Problembezirke interessieren: Bandenkriege zwischen rivalisierenden schwarzafrikanischen und arabischen Drogenhändlern, Kripo-Einsätze, im Februar 2006 wurde hier auch mal ein Polizist erschossen und das Gelände war tagelang zwecks Tatortsicherung abgesperrt. Ab und zu hört man von Nachbarschaftsaktionen besorgter Eltern, die den Störenfrieden ohne viel Erfolg ins Gewissen reden. Und am Rande des Volksparks wird derzeit ein Hindu-Tempel gebaut.

Wer die Hasenheide heute zum Freizeitsport nutzen will, muss früh aufstehen: Im Morgengrauen tummeln sich hier Jogger wie ambitionierte Läufer. Türkische Frauen, in Begleitung von Ehegatten oder Freundinnen und auch an brütend heißen Tagen von Kopf bis Fuß verhüllt, nur die Arme dürfen frei schwingen, legen ein munteres Tempo vor. Auf den Grünflächen spielen ein paar Männer Golf, oben auf der Rixdorfer Höhe, einem Trümmerberg mit Panoramablick - Minarett, Fernseh- und allerlei Kirchtürme - übt jemand Tai-chi-Sequenzen. Die Herzlichkeit einer Spaziergängerin, die bei Wind und Wetter fünf oder sechs Hunde ausführt, entschädigt mich jeden Morgen aufs Neue für die schadenfrohen Sprüche anderer Herrchen und Frauchen: "Die tut nichts, die will nur spielen!" - "Komisch, das hat Strolchi ja noch nie gemacht!" Oder mein absoluter Favorit: "Sie dürfen ihm nicht zeigen, dass Sie Angst haben!" (Kaum zu glauben, aber wahr: In England entschuldigen sich die Besitzer, wenn ihr Wauwau einen anfällt - manchmal jedenfalls. Freilich bin ich auch dort schon gebissen worden. Dass Hunde die "grüneren" Haustiere sein sollen, weil Katzenstreu als Sondermüll entsorgt werde muss, stimmt mich nicht wirklich versöhnlicher.)

Hartz-IV-Brigaden rücken mit Schubkarren an und schleppen für einen Euro pro Stunde Schaufeln und Eimer durch den Park. Früher stolzierten zwischendrin manchmal Pfauen, aber neuerdings sind die Tore des kleinen Tierparks über Nacht abgeschlossen. Dafür wurden in diesem Sommer australische Trauerschwäne auf dem Tümpel ausgesetzt. Eichhörnchen turnen durch die Bäume, und auch den einen oder anderen Fuchs habe ich schon gesehen.

Hier habe ich schon manche nette Laufbekanntschaft geschlossen: mit einem ehemaligen Triathleten, der inzwischen Mitte Siebzig ist und immer noch jedes Jahr einen Marathon läuft; mit einem Ur-Kreuzberger aus "Herr Lehmann"-Zeiten, der irgendwann beschlossen hat, die durchzechten Nächte mit intensivem Training abzurunden. (Beim Berlin-Marathon ist es mir sogar schon passiert, dass mich ein Zuschauer anfeuerte: "Go, Hasenheide!") Die Dealer lassen uns allesamt in Ruhe. Sie stehen auf ihren Posten, halten Ausschau nach Kundschaft und Polizeistreifen. Das Treiben um sie herum ignorieren sie genauso, wie die Füchse und die Pfauen ihnen keinerlei Beachtung schenken: ein Musterbeispiel multikultureller Toleranz sozusagen.

Nachmittags und abends sieht es dort völlig anders aus. Wer dann als Frau
alleine unterwegs ist, gilt sowieso als Freiwild und muss sich
verschiedenster Offerten sexueller und kommerzieller Natur erwehren. Neulich ist mein Liebster auf dem Weg zur besten Videothek der
Welt
, wo er als Stammgast praktisch schon zum Inventar gehört, auf meinen Rat hin durch die Hasenheide spaziert, um sich die spektakuläre
Herbstfärbung anzuschauen. Hinterher sagte er, das macht er nie wieder. Er
sei mindestens zwanzig Mal angezischt worden, ob er kein Haschisch kaufen
wolle, und habe sich allerhand misstrauische Blicke von Müttern mit
Kinderwagen sowie von den Polizisten im Streifenwagen eingefangen.

Angesichts des verstärkten Zuzugs Studierender, der damit einhergehenden
Umwidmung abgeranzter Eckkneipen als trendige Treffpunkte, der endlich
erfolgten Tempelhof-Stillegung und der - offenbar fest in arabischen Händen
liegenden - Rundum-Sanierung der Schmuddel- zur Sonnenallee wird Neukölln neuerdings gerne zum Szenekiez von morgen ausgerufen. Sollte es tatsächlich irgendwann so weit kommen, hoffe ich trotz allem, dass die Gentrifizierung der Sozialstrukturen gemäßigter vonstatten geht als in Prenzlberg und Friedrichshain, den Szenekiezen von gestern und heute - und dass die Hasenheide nicht irgendwann nur noch für Anwohner mit goldenem Schlüssel zugänglich sein wird.

Abschied
Aus dem Kiez
Coaching
Das Krimi-Experiment
Dies und Das
Feierabend
Kommunikation
Kreatives Schreiben
Leben
Lost in Translation
Nachgedacht
Schnappschüsse
Singles
Termine
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