Dienstag, 30. Juni 2009

Stillos

Ich solle mir ja keine Gedanken um „Stil“ machen, schreibt mir der Autor, dessen Buch ich gerade übersetze, denn er selber habe überhaupt keinen, er benutze einfach ein gut verständliches Englisch. So‘n Quatsch! denke ich spontan, aber weil ich diesen Mann sehr schätze und achte, sage ich es natürlich nicht. Und weil er seinerseits ein überzeugendes Argument zu schätzen weiß, versuche ich ihm stattdessen zu erklären, warum er Unrecht hat, Stil als etwas abzutun, was einem Text künstlich aufgepfropft wird – gar als etwas, was sich zwischen Text und Leser schiebt und das Verständnis behindert. Tatsächlich gibt es Bücher, die keinen Stil haben, aber sie lesen sich deshalb nicht unbedingt besser oder leichter, und seines gehört gottlob nicht dazu!

Es kommt nicht nur darauf an, was gesagt wird, sondern darauf, wie es gesagt wird: Das ist ein Allgemeinplatz aus der Kultur- und Kommunikationswissenschaft, von der PR-Branche mal ganz zu schweigen, aber auch eine alltägliche Erfahrung. Wie viel aufmerksamer hören wir jemandem zu, dessen Stimme angenehm klingt, der voller Überzeugung spricht, dessen Worte sich uns ins Gedächtnis prägen! Wie kalt lassen uns Texte, die klingen, als seien sie maschinell erstellt worden – wie viel stärker beeindrucken uns solche, aus denen ein lebendiger Mensch spricht, der ebendiese Worte und keine anderen gewählt hat, um ebendiese Geschichte zu erzählen oder ebendiese Meinung zu vertreten! Eine solche Stimme erkennen wir wieder und schenken ihr sofort Vertrauen, wenn wir sie das nächste Mal hören.

Nennen wir es also nicht Stil, nennen wir es ruhig Stimme, auch das ein prächtiger literaturwissenschaftlicher Begriff. Gerade dieser Mann, der lange Zeit als Pastor tätig war, schreibt mit kraftvoller, klangvoller Stimme, deren schlichte Worte von alttestamentarischer Schönheit und Ehrwürdigkeit so weit tragen, dass man ihm auch auf der hintersten Kirchenbank noch folgen kann.

Das merke ich vor allem deswegen, weil ich als Übersetzerin auch ein bisschen Bauchrednerin bin, also die Kunst beherrschen muss, meine eigene Stimme zu verstellen und mit derjenigen eines Anderen zu sprechen. Je länger und je intensiver ich mich in ein Buch vertiefe, mit desto mehr Selbstverständlichkeit verfalle ich weit über die eigentliche Übersetzungsarbeit hinaus in die Sprachrhythmen und das Vokabular des jeweiligen Autors.

Wenn ich nun mit diesem Menschen kommuniziere, dessen Buch ich gerade übersetze – und sei es per E-Mail, diesem „beklagenswert flüchtigen Medium“, wie er sagt –, dann krame ich entgegen meinen sonstigen Gepflogenheiten oft lange in meinem Wortschatz, halte so manches Kleinod prüfend gegen das Licht, wende es hin und her, bis ich gefunden habe, was ich suche, poliere es auf Hochglanz, lege es auf die Goldwaage und wiege es sorgfältig gegen anderes ebenso Hochkarätiges ab, um ihm dann eine formschöne Fassung zu schmieden, die selbst unscheinbare Objekte dezent funkeln lässt.

Was dabei herauskommt, sind keine verschrobenen Wortgebilde, wie es diese langatmige Schilderung vielleicht nahe legt – weder Staubfänger noch Blickfang und doch mehr als solides Handwerk –, sondern Sätze von einer Prägnanz und Autorität, die mich jedes Mal erstaunt. Wenn das kein Stil sein soll! Nur kostet mich eine solche Ausdrucksweise, die ihm nach jahrzehntelanger Übung ganz „natürlich“ und ungekünstelt vorkommen mag, eben einige Mühsal.

Freitag, 26. Juni 2009

Regenbogen

Kürzlich war ich in Neubrandenburg. Was mich in die tiefste ostdeutsche Provinz verschlagen hat? Natürlich war es ein Lauf, angeblich „der härteste im Norden“ – nun ja, der Blankeneneser Heldenlauf mit seinen vielen Treppenstufen ist auch nicht ganz ohne, und der Syltlauf soll es vor allem wegen des Windes in sich haben, aber sei‘s drum. Die Gegend ist allemal eine Reise wert, auch wenn ich an dem Samstag verdammt früh aufstehen musste.

Dass es dort landschaftlich wunderschön ist, damit hatte ich gerechnet. Was ich nicht erwartet hätte, war, direkt an der Stargarder Straße, die vom Bahnhof zum Kulturpark führt, einen bestens sortierten, freundlichen Bioladen der alten Schule mit dem netten Namen „Regenbogen“ zu entdecken. In Berlin, wo mittlerweile jede Woche an irgendeiner Ecke ein neuer Bio-Supermarkt aufmacht, sind solche Geschäfte – betrieben von Leuten, die genau wissen, was sie verkaufen und warum, und auch weitermachen würden, wenn Bio plötzlich wieder uncool und unprofitabel wäre – längst im Aussterben begriffen.

Montag, 22. Juni 2009

Vorurteile

Geschäftlich arbeiten wir seit Jahren wunderbar zusammen, menschlich verstehen wir uns bei allen Reibereien hervorragend – in weltanschaulichen Fragen trennen uns ganze Galaxien. Um so überraschter bin ich, als ausgerechnet dieser Bekannte mich auf die aktuelle Körperwelten-Ausstellung anspricht. Nein, gesehen habe ich sie noch nicht, sage ich und mache mich auf eins unserer gelegentlichen Wortgefechte gefasst, bei denen ich vom Feminismus bis zur Google-Buchsuche sämtliche Errungenschaften der letzten vierzig Jahre verteidigen muss.

Aber nein, er gerät geradezu in Verzückung. Die Menschenwürde, die ihm – im biblischen, nicht im humanistischen Sinn – sehr am Herzen liegt, werde in der Schau nicht nur gewahrt, so sagt er, sondern regelrecht zelebriert. Wenn jemand wie er Worte wie „pietätvolle Präsentation“ in den Mund nimmt, ist das nicht bloß dahergeredet. Nicht etwa der Tod, sondern das Leben werde hier in großartigster Weise gefeiert, und schon gar nicht verstehe er jene Leute in seinem Umfeld, die sich ein Urteil über etwas anmaßten, ohne sich mit eigenen Augen ein Bild davon gemacht zu haben. Ob der Anblick veritabler Mini-Mes in Gestalt von plastinierten Föten sogar mich zur Abtreibungsgegnerin bekehren würde, wie er prophezeit, wage ich zwar zu bezweifeln, aber diese Diskussion erspare ich uns für heute. Noch nie, schwärmt er weiter, habe er in einer Ausstellung soviel gelernt: über den Aufbau des Körpers, über das Zusammenwirken seiner einzelnen Bestandteile, darüber, wie ein Mensch funktioniert. Missfallen hätten ihm einzig die Posen, in denen die Plastinate gezeigt werden – und zwar nicht so sehr der berüchtigte Geschlechtsakt als vielmehr die unangemessene Banalität alltäglicher Zeitvertreibe.

Ohne Einwände grundsätzlicher Art gegen diese Form von Leichenfledderei geltend machen zu können oder zu wollen, die schließlich mit ausdrücklicher Billigung der Körperspender geschieht, fand ich das „Körperwelten“-Spektakel immer leicht widerwärtig – sowohl inhaltlich als auch wegen des Medienrummels, der darum veranstaltet wurde. Nach dem Telefonat fühle ich mich wie beflügelt, möchte am liebsten den Rest des Nachmittags frei nehmen und sofort zum Postbahnhof fahren. Stattdessen muss eine halbe Stunde für diesen Blog-Text reichen. Schön, wenn andere Menschen gegen meine Vorurteile verstoßen! Schön auch, dass ich nicht immer nur mit Menschen zu tun habe, die meine Meinung zu allem und jedem teilen! Den Ausstellungsbesuch werde ich bei nächster Gelegenheit nachholen. Vielleicht treffe ich Sie dort?

Mittwoch, 17. Juni 2009

Analoges Treffen

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Ich werde zwar vermutlich selbst keine Zeit haben, um dabei zu sein. Dennoch möchte ich gerne auf das Hamburger Bloggertreffen aufmerksam machen. Ob es das erste seiner Art ist, weiß ich nicht. Vermutlich gab es schon diverse andere offizielle und inoffizielle Zusammenkünfte verschiedener Gruppen in Hamburg. Aber in dieser Zusammensetzung, mit diesen Organisatoren und diesem Logo dürfte es ein Novum sein. Ich fand frühere Bloggertreffen - häufiger mit Lesungen verbunden - immer spannend. Wie sehen diese ganzen Schreiber eigentlich in echt aus? Und wie sind die so? Wer das herausfinden will, sollte am Sonntag unbedingt hingehen.

Montag, 15. Juni 2009

Kommunikatives Schweigen

Es gibt gute und schlechte Kommunikation, das ist eine allgemein bekannte Weisheit. Gut ist zum Beispiel alles, bei dem das Gegenüber im Blick behalten und ein Austausch von Informationen angestrebt wird. Schlechte Kommunikation hingegen ist so ähnlich wie das, was ich gerade mit meinen Blog-Mitarbeitern und Lesern veranstalte: Sie können sich noch so sehr anstrengen, gute Arbeit leisten, regelmäßig vorbeischauen, neugierige Fragen stellen – ich tue einfach so, als würde ich das alles nicht merken und hülle mich in Schweigen.

Dabei gäbe es viel zu erzählen. Über die richtigen Worte im richtigen Moment zum Beispiel. Den richtigen Auftrag zur rechten Zeit. Über Reisen und Begegnungen. Und vor allem über Menschen, immer wieder Menschen. Ich merke täglich mehr, wie spannend es ist, mit anderen Menschen zu arbeiten, ihnen auf die Sprünge zu helfen, Impulse zu geben, die sie vorwärts bringen.

Dass bei all diesen Aktivitäten das Bloggen etwas kurz kommt, hätte ich selbst noch vor kurzer Zeit so nicht gedacht. Leserbindung ist wohl etwas anderes. Aber ich denke, dass der Trubel sich bald etwas legt und ich wieder mehr Zeit und Muße habe, um mehr für die Knotenpunkte zu schreiben. Bis dahin bleibt mir nur, mich für mein Schweigen zu entschuldigen, und mich vor allem bei Beate Brown zu bedanken, die das Blog in den letzten Wochen ganz alleine in Schwung gehalten hat. Das ist doch ein guter Anfang für eine gelungene Kommunikation, oder?

Abschied
Aus dem Kiez
Coaching
Das Krimi-Experiment
Dies und Das
Feierabend
Kommunikation
Kreatives Schreiben
Leben
Lost in Translation
Nachgedacht
Schnappschüsse
Singles
Termine
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