Dienstag, 28. Oktober 2008

Virtuelle Kaffeepause

Ich bin gerne allein. Ehrlich. Schon als kleines Kind konnte ich mich stundenlang alleine beschäftigen, und später habe ich es gehasst, meine Barbiepuppen mit Freundinnen zu teilen. Ich bin alleine rund um Irland und mehrmals von der hessischen bis in die englische Provinz geradelt. Strecken unter 25 Kilometern laufe ich meistens alleine – nur mein innerer Schweinehund hechelt immer vorneweg –, ich gehe alleine schwimmen und in die Sauna, notfalls auch ins Kino. Nur alleine essen zu gehen, das finde ich furchtbar. Ein Beruf, in dem ich manchmal tage-, wochen- oder sogar monatelang – je nach Umfang des Auftrags – keinen Kontakt mit meinen Kunden oder sonst irgendwem habe und die allermeiste Kommunikation per E-Mail läuft, ist wie für mich geschaffen. Ich betrachte es als Luxus, mir nicht jeden Morgen Gedanken machen zu müssen, mit welchem Outfit ich die Kollegen heute erfreue, und mir meine Zeit mehr oder weniger frei einteilen zu können. Zu Hause interessiert sich niemand dafür, wie unordentlich mein Schreibtisch ist oder ob ich am Vorabend eine ganze Knolle rohen Knoblauch gegessen habe.

Nur manchmal (aber nur manchmal), da sehne ich mich nach einem Großraumbüro: nach der Gerüchteküche, in der immer irgendwas dicht vor dem Anbrennen oder Überkochen steht, nach den Albereien im internen E-Mail-Verkehr. Ich vermisse Kollegen, die ich um Rat fragen kann, weil ich weiß, dass sie sich besser mit zahnmedizinischen Fachbegriffen, PowerPoint-Dateien oder viktorianischen Zahlungseinheiten auskennen als ich. Ohne die wunderbaren Online-Foren zur Klärung solcher Probleme wäre ich manchmal aufgeschmissen.

Deshalb finde ich unsere klitzekleine und rein virtuelle Bürogemeinschaft (mit virtuellem Praktikanten – oder ist Ihnen etwa nicht aufgefallen, dass er ein wandelndes Klischee ist? Dabei haben wir noch gar nicht erwähnt, dass er aussieht wie Johnny Depp vor zwanzig Jahren!) eine feine Sache. Viel Klatsch und Tratsch wird es hier zwar niemals geben. Schließlich sind wir beide viel zu vernünftig, um etwas mit dem Praktikanten anzufangen, und außerdem sind wir uns ziemlich sicher, dass er auf Männer steht. Dass wir uns nur ein virtuelles gemeinsames Kaffeepäuschen gönnen können, ist zwar schade, kommt aber dem Tempo zugute, mit dem wir Ihre Aufträge erledigen.

Dafür kennen wir uns schon ewig und haben volles Vertrauen in die Fähigkeiten der anderen. Da wir in verschiedenen Bereichen arbeiten, kommen wir uns auch nicht ins Gehege. Wenn Sie aber den Content für Ihren neuen Internetauftritt oder Ihren Werbeflyer auch auf Englisch brauchen, bin ich zur Stelle. Und wenn ich merke, dass die Probleme, die meine Kundin mit ihrer Dissertation hat, weit über die Recherche englischsprachiger Fachliteratur hinausgehen, kann ich ihr guten Gewissens ein paar Coaching-Stunden bei Frau Burkhardt empfehlen. (Hier handelt es sich um einen rein fiktiven Fall. Denn unsere realen Kunden behandeln wir selbstverständlich mit absoluter Diskretion und kämen niemals auf den Gedanken, Details über sie im Internet zu veröffentlichen.) Und an Geburtstagen gibt es bei uns den leckersten Kuchen der ganzen Cyberwelt. Backen kann der Praktikant nämlich auch. Und dazu den spritzigsten Prosecco!

Montag, 27. Oktober 2008

Einheitsbrei

Manche Defizite werden einem erst bewusst, wenn man nach etwas verlangt, das es schon lange nicht mehr gibt. Mir ging heute auf, dass man in meinem Viertel zwar an jeder Ecke drei Apotheken, fünf Coffee Shops und acht Bekleidungsläden findet (ob da ein Zusammenhang besteht, entzieht sich meiner Kenntnis), die Auswahl in anderen Branchen aber teilweise sehr eingeschränkt ist.

Wenn ich zum Beispiel verreisen will, bin ich ziemlich aufgeschmissen. Das ist mir aber erst heute bewusst geworden. Zwei Reisebüros in meiner direkten Nachbarschaft existieren schon länger nicht mehr, und ein drittes hat sich ganz auf Reisen in die Türkei spezialisiert. Da ich in den letzten Jahren die meisten meiner Reisen übers Internet gebucht habe, ist mir dieser Mangel bis heute nicht aufgefallen. Auf der Jagd nach dem günstigsten Schnäppchen habe ich für eine einwöchige Reise oft mindestens noch mal so viel Zeit damit zugebracht, die Internetangebote zu vergleichen. Am Ende war ich dann tatsächlich urlaubsreif. Ob ich wirklich immer billiger und besser als im Reisebüro um die Ecke weggekommen bin, kann ich nicht mal sagen, denn dazu fehlen mir die Vergleiche. Auf jeden Fall habe ich sicher selbst mit dazu beigetragen, dass bestimmte Dienstleistungen in meinem Viertel nur noch eingeschränkt zu erhalten sind.

Auf der Suche nach einer persönlichen Beratung und Katalogen, in denen ich in Ruhe stöbern kann, fiel mir tatsächlich nur ein einziges noch bestehendes Reisebüro ein. Zwei andere entdeckte ich später noch eher zufällig. Drei Reisebüros gegenüber gefühlten hundert Klamottenläden, fünfzig Coffee Shops und dreißig Apotheken. Das ist doch eine höchst seltsame Verteilung, oder?

Ich glaube, ich werde in Zukunft wieder öfter in realen Läden einkaufen und mit echten Menschen verhandeln als immer nur in Onlineshops zu stöbern. So bequem es auch ist, an einem verregneten Sonntagnachmittag vom heimischen Sofa aus den Flug in die Sonne zu buchen und damit neben dem Reiseveranstalter meistens ein Reisebüro irgendwo am anderen Ende der Republik zu beglücken, so schön fühlt es sich doch auch an, die Dienstleister in der direkten Nachbarschaft zu unterstützen. Nur so kann ich zu einer lebendigen Stadtkultur beitragen und ein Angebot jenseits großer Ketten und Kaufhäuser am Leben erhalten.

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Warum Schriftsteller bessere Menschen sind

Vor gut einem Monat, am 12. September hat sich der amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace im Alter von 46 Jahren in seinem südkalifornischen Haus erhängt. Er litt offenbar an Depressionen und konnte nicht länger verhindern, dass die schwarzen Dämonen seinen Lebenswillen überrumpelten. Ein Verlust für alle Leser, eine Tragödie für ihn selber.

Unter dem Titel „Plain old untrendy troubles and emotions“ druckte die britische Zeitung Guardian in ihrer Wochenendbeilage vom 20. September eine Ansprache ab, die der studierte Philosoph auf der Abschlussfeier eines US-College hielt. In einer dem geistigen Niveau 21-jähriger Bachelor-Absolventen angemessenen Sprache erläutert Foster darin, was das Prinzip des freien Willens in der tagtäglichen Konfrontation zwischen Selbst und Anderem für ihn bedeutet: eine ständig neu zu treffende bewusste Entscheidung zwischen Glück und Unglück oder doch, um das Pathos aufs Lebensweltliche herunterzuschrauben, zwischen Zufriedenheit und Unzufriedenheit.

Er beschreibt eine typische Feierabendsituation: Man kommt genervt von der Arbeit, muss noch schnell ein paar Besorgungen erledigen – und gerät damit sofort in Konflikt mit Hunderten von anderen Normalverbrauchern, die genauso genervt von der Arbeit kommen und noch schnell ein paar Besorgungen erledigen müssen. So steckt man zunächst im Stau, prügelt sich dann im Supermarkt um den letzten Einkaufswagen, steht Schlange an der Käsetheke und in einer noch längeren Schlange an der Kasse, und wenn die Tüten endlich im Kofferraum verstaut sind, reiht man sich wieder in den stockenden Verkehr abgehetzter Humanressourcen ein.

Jeder von uns hat nun – und zwar jeden Abend von neuem – die Wahl: Entweder empfinden wir unsere Mitmenschen als Störfaktoren, die der Verwirklichung unserer eigenen Wünsche im Weg stehen. Dies, so Foster Wallace, sei unsere „Standardeinstellung, wie sie von Geburt an fest in unseren Köpfen verdrahtet ist“: „Die Gesamtheit meiner unmittelbaren Erfahrung bestärkt mich in der tiefen Überzeugung, dass ich der absolute Mittelpunkt des Universums bin, die realste, lebendigste und wichtigste Person überhaupt. Wir reden selten über diese natürliche, grundlegende Ego-Zentriertheit, weil sie gesellschaftlich so verpönt ist, aber in unserem tiefsten Innern geht es uns eigentlich allen so.“ Bestenfalls hätten wir als Zusatzfunktion ein soziales Bewusstsein installiert, mittels dessen „ich im Feierabendstau stehen und mich über all die riesigen, dämlichen, die-Fahrbahn-versperrenden SUVs, Hummers und Geländewagen mit ihrer ungeheuren selbstsüchtigen Benzinverschwendung empören und darauf herumreiten kann, dass die patriotischen und religiösen Autoaufkleber immer an den größten, abscheulich selbstsüchtigsten Wagen mit den hässlichsten, rücksichtslosesten und aggressivsten Fahrern zu kleben scheinen, die meistens auch noch telefonieren, während sie anderen Leuten die Vorfahrt nehmen, nur um ein paar dämliche Meter im Stau vorwärts zu kommen.“

Als Alternative empfiehlt er sozusagen die lebenspraktische Anwendung einer beliebten Workshop-Übung, die er selber oft mit seinen Creative Writing-Studenten am Pomona College durchgeführt haben muss: Versuchen Sie sich in die Kundin hineinzuversetzen, die mit ihrem übervollen Einkaufswagen vor Ihnen in der Schlange steht und Ihnen bestimmt noch weitere zehn Minuten Ihrer wertvollen Zeit rauben wird, bevor sie ihr Portemonnaie aus der Handtasche gekramt, sich zwischen drei Kreditkarten für diejenige entschieden hat, deren Verfügungsrahmen eventuell noch nicht ausgeschöpft ist, und schließlich ihre drei Rotznasen von der Süßigkeitenauslage losgeeist hat. Malen Sie sich einmal aus, nicht Sie, sondern genau diese nicht sonderlich attraktive, jedenfalls viel zu mollige Frau in der schlecht sitzenden Billig-Jeans wäre der Mittelpunkt des Universums. Eine lächerliche Vorstellung? Probieren Sie es trotzdem, wozu haben Sie denn Ihre Fantasie!

Warum kauft sie fünf Hähnchen, aber kein anderes Fleisch? Gab's die im Sonderangebot? Hat sie Angst vor Rinderwahn? Isst sie aus religiösen Gründen kein Schwein? Mag ihr Mann es nicht? Wo ist überhaupt ihr Mann? Vielleicht liegt er nach einem schweren Unfall im Krankenhaus, vielleicht hat er sie und die Kinder längst verlassen, vielleicht vergnügt er sich im Motel mit einer Kollegin oder in der Kneipe mit seinen Kumpels, vielleicht wartet er aber auch zu Hause und hat schon mal den Tisch gedeckt, den Salat gewaschen und den Ofen vorgeheizt. Vielleicht wird er sie ganz fest in die Arme nehmen, wenn er endlich ihren Schlüssel in der Tür hört, so dass sie den ganzen Stress ihres unerträglich langen, langweiligen Tages zwischen Teilzeitjob und Vollzeit-Haushalt vergisst.

Sehen Sie – schon sind über diesen Gedankenspinnereien zehn Minuten verflogen, und Sie sind mit Bezahlen dran. Und außerdem haben Sie noch ein Lächeln auf den Lippen, weil Sie sich gerade das total geschmacklos eingerichtete Wohnzimmer dieser Familie vorgestellt haben. Das war wiederum ziemlich zynisch und ganz und gar nicht einfühlsam von Ihnen, aber ein bisschen Spaß muss schließlich sein, Sie sind ja nur ein Mensch und kein Engel. Wenn Ihnen die Kassiererin jetzt einen schönen Tag wünscht – zugegeben, die Chancen dafür stehen hierzulande schlechter als in den Supermärkten, wo Foster Wallace einzukaufen pflegte –, können Sie ihr ganz aufrichtig antworten: „Danke, gleichfalls!“, statt etwas Garstiges in Ihren Bart zu brummeln.

Das eigentlich Bedrückende daran finde ich, dass diese „fest verdrahtete Standardeinstellung“ ja kein anthropologischer Zufall ist, sondern sich das „egoistische Gen“, wie Richard Dawkins es nennt, evolutionsgeschichtlich gegen die Bereitschaft zu Altruismus und Kooperation, gegen den Anstand im Umgang miteinander durchgesetzt hat, weil es die günstigeren Voraussetzungen für den Erhalt der Art gewährleistete. Wer es schafft, den „Ich, ich, ich“-Trieb zu unterdrücken, seinen Mitmenschen mit Geduld und Verständnis zu begegnen, statt sie zum eigenen Vorteil aus dem Weg zu schubsen, mag ein Held des Alltags sein, aber Helden haben traditionell schlechte Überlebenschancen, und Helden des Alltags offensichtlich genauso. Als Trost bleibt da immerhin die Erkenntnis, dass Schriftsteller, die doch gemeinhin als kauzige Eigenbrötler gelten, in Wirklichkeit qua ihrem Berufsbild eine ungeheure empathische Kompetenz entwickeln: weil sie immer wieder ihre Standardeinstellungen ausschalten müssen, um zu wissen, was ihre Figuren fühlen und denken. Diese wiederum rettet ihre Gattung nicht vor dem Aussterben, aber womöglich vor dem Verhungern, lässt sie sich doch notfalls auf dem Arbeitsmarkt als people skills verhökern.

Mittwoch, 22. Oktober 2008

TV-Coaching

Ich schaue mir ja den Restauranttester Rach ganz gerne an. Der bringt vieles immer so schön auf den Punkt und sagt den Leuten klipp und klar, warum sie keine Kunden kriegen. Ich schüttele den Kopf über diese Frau, die sich so gar nicht helfen lassen will und frage mich, wieso die eigentlich ein Restaurant betreibt, wenn sie weder kochen kann noch in der Lage ist, ihre Küche vor dem allerschlimmsten Chaos zu bewahren. Und wieso ein Ehepaar von der Tiermedizin in die Gastronomie wechselt, obwohl beiden jedes Gespür für eine gute Kommunikation mit den Gästen abgeht, bleibt mir auch ein Rätsel. Doch als der Rach sich von den beiden verabschiedet, indem er noch mal genau auf dieser Schwäche herum reitet, da tun sie mir ganz schön leid. Schließlich können sie sich nicht einfach aus dem Staub machen, sondern werden vor einem Millionenpublikum mit ihren größten Schwächen und Fehlern konfrontiert.

Mit seriösem Coaching, das immer auch auf strikter Verschwiegenheit Seitens des Coaches basiert, hat das natürlich nichts zu tun. Und doch ist Coaching im Fernsehen zur Zeit enorm populär. Auf allen Kanälen, auch den öffentlich-rechtlichen, gibt es Doku-Soaps, die Lebenshilfe anbieten. Der Finanz-Coach durchleuchtet das Zahlendesaster gescheiterter Geschäftsleute, der Ernährungs-Coach hilft beim Abnehmen, der Liebes-Coach begleitet Paare, die in der Krise stecken.

Was von dieser öffentlichen Form der Coachingarbeit zu halten ist und wie sie sich von der echten Coachingarbeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit unterscheidet, erklärt der Coach und Trainer Olaf Tendera in einem interessanten Interview. Dem ist nichts hinzu zu fügen.

Montag, 20. Oktober 2008

Das liebe Geld

Heute fragt mich unser Praktikant plötzlich, während er an der klapprigen Kaffeemaschine herum werkelt:
„Was kostet eigentlich so ein professionelles Coaching?“
Ich finde es ja nett, wenn der Praktikant mal Initiative zeigt und sich für unseren virtuellen Laden hier interessiert. Also schaue ich vom Rechner hoch und sage:
„Na, das kommt ganz drauf an.“
„Worauf denn?“
„Auf den Coach und auf den Kunden natürlich. Erfahrene, gut gebuchte Coaches können mehr verlangen als Anfänger. Und ein Privatkunde muss natürlich nie so viel bezahlen wie eine Firma.“
„Also, angenommen, ich möchte mal einen Coach in Anspruch nehmen. Was muss ich dann zahlen?“
„So zwischen 70 und 150 Euro pro Stunde.“
Ein lautes, metallisches Scheppern legt den Verdacht nahe, dass ich zukünftig wohl von Kaffee auf Tee umsteigen muss. Oder haben etwa meine Worte den Praktikanten umgehauen? Es ist jedenfalls verdächtig still auf der anderen Seite des Büros. Doch dann kommt ein lautes: „Puh!“ Und anschließend:
„Das ist ja totaler Wucher. Wer soll denn das bezahlen?“
„Du, wenn du es dir wert bist.“
„Hä?“
„Na, es geht doch selten darum, dass man gar kein Geld hat, sondern darum, wofür man es ausgeben will. Was hat zum Beispiel dein MP3-Player gekostet?“
Der Praktikant zuppelt an den Kopfhörerkabeln herum, die aus seiner Hosentasche baumeln.
„150 Euro.“
„Das wären schon zwei Coachingstunden bei einem günstigen Coach.“
Mein Blick fällt auf seine Markenturnschuhe.
„Und was haben die gekostet?“
„100 Euro.“
„Macht eine Coachingstunde.“
Ich rechne weiter:
„Für Konzertkarten großer Stars gibt man schnell mal 100 Euro aus. Eine Markenjeans kostet auch locker so viel. Und wenn du in Urlaub fährst, sind 500 Euro gar nichts. Du kannst also überlegen, was dir wichtiger ist: Deine Motivation zu stärken, um beruflich endlich mal etwas anderes als Praktikant zu sein – oder Monat für Monat dein Geld für Statussymbole und Vergnügen auszugeben. Das eine stillt kurzfristige Bedürfnisse, das andere verändert dein Leben möglicherweise nachhaltig. Um dir ein Coaching leisten zu können, musst du also in diesem Jahr nur ein Paar Schuhe weniger kaufen, nur drei statt vier Wochen verreisen, die alte Jeans noch etwas länger auftragen und den neuen Computer erst im nächsten Jahr anschaffen, dann passt das schon.“
Der Praktikant vertieft sich in die Innereien der Kaffeemaschine. Als er wieder auftaucht, sagt er:
„Trotzdem finde ich 100 Euro für eine Stunde Wucher.“
„Was glaubst du wohl, was wir bezahlen müssten, wenn wir die Kaffeemaschine in Reparatur geben würden? Oder wenn du mal eine juristische Beratung einholen müsstest? Was kostet eine professionelle Zahnreinigung? Oder ein Friseurbesuch mit Haarfärben und allem Pipapo? Handarbeit ist teuer. Und Qualität hat ihren Preis, das war schon immer so und wird auch in Zukunft so sein. Und wenn ein Coach 100 Euro dafür verlangt, dass er seine ganze Kreativität und Lebenserfahrung zur Verfügung stellt und sich eine Stunde lang mit voller Konzentration seinem Kunden widmet, die Steuern und die Büromiete abzieht, seine Vor- und Nachbereitungszeit noch mit einberechnet – dann bleibt am Ende nicht mehr viel übrig. Also, Wucher ist was anderes, finde ich.“
Schweigen. Dann höre ich ein leises Zischen. War das der Praktikant? Nein, die Kaffeemaschine. Dieser Teufelskerl hat es tatsächlich geschafft, die alte Kiste wieder zum Laufen zu bringen. Er bringt mir sogar eine Tasse dampfenden Espresso an den Tisch. Ich bin begeistert. Im Hinausgehen dreht der Praktikant sich kurz um:
„Übrigens – wir sollten noch mal über mein Gehalt sprechen.“
„Wieso das denn? Du hast doch grade erst angefangen.“
„Stimmt, aber wie du selbst so schön sagst: Qualität hat ihren Preis.“

Abschied
Aus dem Kiez
Coaching
Das Krimi-Experiment
Dies und Das
Feierabend
Kommunikation
Kreatives Schreiben
Leben
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Nachgedacht
Schnappschüsse
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