Das liebe Geld

Heute fragt mich unser Praktikant plötzlich, während er an der klapprigen Kaffeemaschine herum werkelt:
„Was kostet eigentlich so ein professionelles Coaching?“
Ich finde es ja nett, wenn der Praktikant mal Initiative zeigt und sich für unseren virtuellen Laden hier interessiert. Also schaue ich vom Rechner hoch und sage:
„Na, das kommt ganz drauf an.“
„Worauf denn?“
„Auf den Coach und auf den Kunden natürlich. Erfahrene, gut gebuchte Coaches können mehr verlangen als Anfänger. Und ein Privatkunde muss natürlich nie so viel bezahlen wie eine Firma.“
„Also, angenommen, ich möchte mal einen Coach in Anspruch nehmen. Was muss ich dann zahlen?“
„So zwischen 70 und 150 Euro pro Stunde.“
Ein lautes, metallisches Scheppern legt den Verdacht nahe, dass ich zukünftig wohl von Kaffee auf Tee umsteigen muss. Oder haben etwa meine Worte den Praktikanten umgehauen? Es ist jedenfalls verdächtig still auf der anderen Seite des Büros. Doch dann kommt ein lautes: „Puh!“ Und anschließend:
„Das ist ja totaler Wucher. Wer soll denn das bezahlen?“
„Du, wenn du es dir wert bist.“
„Hä?“
„Na, es geht doch selten darum, dass man gar kein Geld hat, sondern darum, wofür man es ausgeben will. Was hat zum Beispiel dein MP3-Player gekostet?“
Der Praktikant zuppelt an den Kopfhörerkabeln herum, die aus seiner Hosentasche baumeln.
„150 Euro.“
„Das wären schon zwei Coachingstunden bei einem günstigen Coach.“
Mein Blick fällt auf seine Markenturnschuhe.
„Und was haben die gekostet?“
„100 Euro.“
„Macht eine Coachingstunde.“
Ich rechne weiter:
„Für Konzertkarten großer Stars gibt man schnell mal 100 Euro aus. Eine Markenjeans kostet auch locker so viel. Und wenn du in Urlaub fährst, sind 500 Euro gar nichts. Du kannst also überlegen, was dir wichtiger ist: Deine Motivation zu stärken, um beruflich endlich mal etwas anderes als Praktikant zu sein – oder Monat für Monat dein Geld für Statussymbole und Vergnügen auszugeben. Das eine stillt kurzfristige Bedürfnisse, das andere verändert dein Leben möglicherweise nachhaltig. Um dir ein Coaching leisten zu können, musst du also in diesem Jahr nur ein Paar Schuhe weniger kaufen, nur drei statt vier Wochen verreisen, die alte Jeans noch etwas länger auftragen und den neuen Computer erst im nächsten Jahr anschaffen, dann passt das schon.“
Der Praktikant vertieft sich in die Innereien der Kaffeemaschine. Als er wieder auftaucht, sagt er:
„Trotzdem finde ich 100 Euro für eine Stunde Wucher.“
„Was glaubst du wohl, was wir bezahlen müssten, wenn wir die Kaffeemaschine in Reparatur geben würden? Oder wenn du mal eine juristische Beratung einholen müsstest? Was kostet eine professionelle Zahnreinigung? Oder ein Friseurbesuch mit Haarfärben und allem Pipapo? Handarbeit ist teuer. Und Qualität hat ihren Preis, das war schon immer so und wird auch in Zukunft so sein. Und wenn ein Coach 100 Euro dafür verlangt, dass er seine ganze Kreativität und Lebenserfahrung zur Verfügung stellt und sich eine Stunde lang mit voller Konzentration seinem Kunden widmet, die Steuern und die Büromiete abzieht, seine Vor- und Nachbereitungszeit noch mit einberechnet – dann bleibt am Ende nicht mehr viel übrig. Also, Wucher ist was anderes, finde ich.“
Schweigen. Dann höre ich ein leises Zischen. War das der Praktikant? Nein, die Kaffeemaschine. Dieser Teufelskerl hat es tatsächlich geschafft, die alte Kiste wieder zum Laufen zu bringen. Er bringt mir sogar eine Tasse dampfenden Espresso an den Tisch. Ich bin begeistert. Im Hinausgehen dreht der Praktikant sich kurz um:
„Übrigens – wir sollten noch mal über mein Gehalt sprechen.“
„Wieso das denn? Du hast doch grade erst angefangen.“
„Stimmt, aber wie du selbst so schön sagst: Qualität hat ihren Preis.“
Beate Brown (Gast) - 21. Okt, 11:42

Zahlen wir dem Praktikanten Gehalt? So war das eigentlich nicht abgesprochen.

Katharina Burkhardt - 21. Okt, 12:44

Liebe Frau Brown, ich weiß, dass es eine weit verbreitete Unsitte ist, Praktikanten als kostenlose Arbeitskraft auszbeuten und sie mit leeren Versprechungen, was ihre berufliche Zukunft angeht, bei der Stange zu halten. Aber die Knotenpunkte sind doch ein seriöses Blog und werden daher selbst einen virtuellen Praktikanten natürlich angemessen bezahlen.

Trackback URL:
https://knotenpunkte.twoday.net/stories/5268108/modTrackback


Abschied
Aus dem Kiez
Coaching
Das Krimi-Experiment
Dies und Das
Feierabend
Kommunikation
Kreatives Schreiben
Leben
Lost in Translation
Nachgedacht
Schnappschüsse
Singles
Termine
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren