Schnappschüsse

Freitag, 4. Dezember 2009

Gänsehaut

Dass es Winter wird, merke ich immer spätestens an den halbnackten Mädchen, die überlebensgroß sämtliche Litfasssäulen, Bushaltestellen, U- und S-Bahnhöfe schmücken. Beim Anblick der armen Dinger, wie sie in ihren spitzengesäumten Dessous und glitzernden Party-Fitzelchen dem eisigen Wind trotzen – kein Gramm Fett, das sie vor dem Ärgsten schützen könnte –, fröstelt's mich so sehr, dass ich allenfalls in die einschlägigen Bekleidungsgeschäfte eilen möchte, um mir den flauschigsten Pulli zuzulegen, den ich finden kann. Aber die Werbefritzen werden schon wissen, was sie tun ...

Dienstag, 6. Oktober 2009

„Hallo, ich sitze gerade in der U-Bahn“

Das Private ist immer politisch – na ja, oder auch nicht. Seit der Erfindung des Mobiltelefons ist es auf jeden Fall hemmungslos öffentlich.

Eins weiß ich: Wenn ich einmal alt und wunderlich bin (mit etwas Glück dauert das gar nicht mehr so lange) und das Bedürfnis, durch die Straßen zu laufen und laut vor mich hin zu zetern, nicht mehr so gut unterdrücken kann wie heute, werde ich mir einfach ein Handy ans Ohr halten, dann fällt das niemandem auf.

Freitag, 28. August 2009

Gestern im Café

„Dreizehn, bitte“, sagte ich. Die Kellnerin starrte hilflos auf den Fünfzig-Euro-Schein in meiner Hand. „Wie viel kriegen Sie denn dann zurück?“

Freitag, 8. Mai 2009

Grille vom Grill

Normalerweise gehöre ich nicht zu den Leuten, die ständig über den Kulturverfall in der Spaßgesellschaft jammern – überhaupt nicht. Kultur ist, was wir draus machen! Dass sich aber in den letzten Jahren in amtliche Mitteilungen, in den offiziellen Sprachgebrauch also, immer mehr Rechtschreibfehler eingeschlichen habe, finde ich dennoch bedenklich. Bei uns im Park hat die Bezirksverwaltung Schilder aufgestellt: „Hier dürfen Sie Grillen“ – ja, was denn: „Grillen fangen“, „Grillen beobachten“, „Grillen aussetzen“? Oder soll das gar heißen: „Hier dürfen Sie Grillen grillen“? (Mmm, lecker.) Und neulich habe ich auf einem Fabrikgelände – halbamtlich sozusagen – einen Warnhinweis gesehen: „Wiederrechtliches Betreten verboten!“ Inzwischen wundert es mich schon längst nicht mehr, dass der türkische Imbiss um die Ecke sich in irgendeinem Schilderladen eine ansonsten sehr professionell aussehende Werbetafel hat anfertigen lassen, auf der „Täglisch neue Eintöpfer“ angeboten werden.

Freitag, 9. Januar 2009

Ist die Welt noch zu retten?

Liebe Leser, bitte verzeihen Sie mir ausnahmsweise einen reichlich frivolen Beitrag zu einem Thema, das ich an sich durchaus ernst nehme.

Neulich in der Feinkostabteilung eines Kaufhauses meines Vertrauens. Statt David Foster Wallaces Rat zu folgen und mir vorzustellen, die anderen Leute in der Schlange, ganz zu schweigen von der transusigen Kassiererin, wären Menschen wie Sie und ich, vertiefte ich mich in den Inhalt einer Tiefkühltruhe voller Produkte eines bekannten US-amerikanischen Eisherstellers. „Making Poverty History“, stand auf einem der Becher, und damit war meine Kaufentscheidung schon getroffen. Wenn ich durch den Kauf eines Luxusartikels mit unverschämtem Kaloriengehalt und fragwürdiger Ökobilanz die Armut aus der Welt schaffen kann, bin ich doch sofort dabei! Zumal ein Blick in meinen Einkaufskorb mir bestätigte, dass ich schon auf einem ganz guten Weg war: eine Flasche Rotwein, ein Glas Honig aus fairem Handel (mit wem eigentlich – den Bienen?) und kontrolliert biologischem Anbau, ein Vitaminbrot sowie verschiedene Leckereien von der Käse- und Antipasti-Theke, Gesamtwert knapp 50 Euro. Armut (und sei‘s nur die eigene) abzuschaffen, indem man sie einfach ignoriert, ist auch eine Lösung.

Mittwoch, 24. Dezember 2008

Heute vor vierzig Jahren

Earthrise

Heiligabend 1968. Inzwischen ist dieser Schnappschuss von der ersten bemannten Mondumkreisung längst zum Wandkalender-Klischee verkommen. Damals vermochte er einen ökologischen Schock auszulösen, wirkte als Sinnbild eines ganz neuen Verantwortungsbewusstseins: Wie viel Schindluder treiben wir seit der industriellen Revolution mit diesem kostbaren, kleinen, funkelnden Juwel, das da so schutzlos durchs All wandert! Selbst Carl Sagan, der große Romantiker unter den Raumfahrern, wankte darob in seinem Glauben an außerirdisches Leben: „Unser Planet ist ein einsamer Funken in der kosmischen Finsternis um ihn herum. Nichts deutet darauf hin, dass Hilfe von außerhalb kommen wird, um uns vor uns selbst zu retten.“

Beim Anblick des Heimatplaneten, der wie eine Fata Morgana aus dem Dunkel des Universums auftauchte – vierhunderttausend Kilometer entfernt und nicht größer als ein Daumennagel –, sei „Wehmut, ein jähes Heimweh in mir aufgewallt“, schilderte Bill Anders, der das Foto knipste. „Sie war der einzige Farbfleck im Weltraum. Alles andere war entweder schwarz oder weiß. Nur die Erde nicht.“

Vor ihrem Rückflug trugen die drei Astronauten der Apollo-8-Mission – Bill Anders, heute 75, Jim Lovell (richtig geraten: Tom Hanks in „Apollo 13“) und Frank Borman, beide 80 – dem terrestrischen Radio- und Fernsehpublikum abwechselnd Verse aus der Schöpfungsgeschichte vor, als wollten sie ihren Eindrücken aus einem gottverlassenen, heil- und leblosen Weltraum etwas entgegnen: die Kraft des Wortes und unsere Gabe, einander mit Geschichten Trost und Hoffnung zu spenden.

Frohe Weihnachten, liebe Kollegen, Kunden, Leser und Freunde!

Dienstag, 9. Dezember 2008

Aphorismus

Deutsche Wintersonne, sagte mir mal jemand aus südlicheren Gefilden, sei wie das Licht im Kühlschrank.

Montag, 10. November 2008

Noch mehr existenzielle Fragen

„Have you filled out the pink form?“ stand auf dem Zettel. Er klebte an einer im Zuge sommerlicher Renovierungsmaßnahmen aus den Angeln gehobenen Tür im Korridor der englischen Universität, an der ich im Juli eine Weiterbildung machte. Jeden Morgen, wenn ich auf dem Weg zu meinem Übersetzungs-Workshop daran vorbeiging, wurde mein Gewissen schlechter.
Nein, hatte ich nicht. Immer noch nicht. Schlimmer noch: Ich kann mich nicht – beim besten Willen nicht – erinnern, jemals in meinem Leben ein rosa Formular ausgefüllt zu haben. Bin ich deswegen ein schlechter Mensch? Ich weiß es nicht. Aber über eins bin ich mir sicher: Irgendwann wird mich irgendeine bürokratische Instanz irgendwo in diesem Universum ganz furchtbar dafür bestrafen, dass ich das rosa Formular nicht ausgefüllt habe.

„Geringverdiener gesucht“, stand im S-Bahnhof Blankenese auf einem Plakat zur Anwerbung von Humankapital für einen Supermarkt. Was soll man dazu noch sagen? Endlich mal ein Job, für den ich sämtliche Voraussetzungen erfülle.

Samstag, 8. November 2008

Wrong Time Zone?

... stand beim Berlin-Marathon in Großbuchstaben über dem Helpdesk. In der Tat, wer hat nicht manchmal das Gefühl, sich in der falschen Zeitzone zu befinden, in einem anderen Rhythmus zu leben als die Mitwelt. Auf fachkundige Beratung in derart existenziellen Fragen hätte man freilich vergeblich gehofft – geholfen wurde dort nur Läufern, die ihren (nach der bisherigen Bestzeit zugeteilten) Startblock wechseln wollten.

Abschied
Aus dem Kiez
Coaching
Das Krimi-Experiment
Dies und Das
Feierabend
Kommunikation
Kreatives Schreiben
Leben
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