Frauenhaus

Wir sind eine Gesellschaft von Einzelgängern geworden, das macht sich vor allem beim Wohnen bemerkbar. Die Wohnungen an sich werden zwar immer größer, doch die Personenzahl, die darin lebt, schrumpft kontinuierlich. In den kleinen Wohnungen hier im Haus zum Beispiel lebten früher vier- und fünfköpfige Familien. Das wäre heute undenkbar, bei 47 Quadratmetern und zwei Zimmern. Inzwischen wohnen hier hauptsächlich Singles und einige Pärchen. In Großstädten überwiegen mittlerweile die Einpersonenhaushalte, in Hamburg sollen es weit über 60 Prozent sein, Tendenz steigend.

Im Vergleich zur Großfamilie bringt das Wohnen alleine viele Vorteile mit sich: individuelles, selbstbestimmtes Leben, Ungebundensein, Unabhängigkeit. Doch die Freiheit, das hässliche Gemälde aufhängen zu können, an dem man so hängt, beim Schlafen der eigenen inneren Uhr zu folgen und nicht der des Partners oder der Kinder und die Nutella mit niemandem teilen zu müssen, hat ihren Preis. Wer alleine lebt und obendrein auch noch Single ist, kämpft oft mit Einsamkeit und dem Gefühl, nicht vollständig zu sein. Manchmal wäre es eben doch ganz schön, nicht nur die Stimmen aus dem Fernseher zu hören, wenn man müde von der Arbeit kommt. Es wäre netter, nicht alleine frühstücken zu müssen. Es würde mehr Spaß machen, das Glas Wein auf dem Balkon gemeinsam mit jemandem trinken zu können. Und wenn es darum geht, ein Regal aufzubauen oder schwere Möbel zu schleppen, wünscht sich so mancher Single nicht selten jemanden, der wenigstens mal mit anpacken würde.

Für die Partnersuche sind Singlebörsen zuständig, die wie verrückt boomen. Für die Organisation des Alltags und ein angenehmes Gemeinschaftsgefühl kann auch schon eine gute Nachbarschaft hilfreich sein. Aus dieser Idee heraus entstehen immer mehr Wohnprojekte. Die WG der 80er Jahre hat ausgedient, heute sind individuelle Lösungen gefragt. Das heißt, jeder Mieter hat seine eigene Wohnung, aber es gibt zusätzliche Gemeinschaftsräume und das Bemühen, der Anonymität mit bewusster Kontaktpflege entgegen zu treten. Solche Projekte entstehen in der Regel für bestimmte Zielgruppen: Jung und Alt unter einem Dach, oder nur Senioren oder nur Frauen. Wohnraum für weibliche Singles organisiert beispielsweise der Verein Arche Nora. In Hamburg sind bereits mehrere Projekte realisiert worden und neue schon in Planung. Der Clou dabei: Bauherren und Eigentümer sind Wohnungsbaugenossenschaften, so dass die Mitglieder des Wohnprojekts lediglich einen recht günstigen Mietzins zahlen müssen. Das Leben in diesen Wohnungen ist also auch für Frauen mit schmalem Geldbeutel möglich. Die Frauen können bei Neubauten Einfluss auf den Grundriss nehmen und ihre Wohnungen ganz individuell gestalten, fast so, als seien sie Eigentümer. Auf der Website von Arche Nora heißt es: „Im Vordergrund steht der Wunsch, die Eigenständigkeit zu bewahren und gleichzeitig im Rahmen eines sozialen Netzwerks im Ernstfall Hilfe zu finden sowie die Möglichkeit, durch gemeinsame Aktivitäten das Leben zu bereichern.“

Ich finde solche Projekte großartig, gerade, wenn es um generationenübergreifendes Miteinander geht. Denn eine altengerechte Wohnung in gut organisierter Nachbarschaft kann eine tolle Alternative zum Seniorenheim sein – zumal sie möglicherweise erheblich kostengünstiger ist. Was mich allerdings beschäftigt, ist die Frage, worin der Nutzen bei diesen reinen Frauenprojekten liegt. Sind diese Wohnungen für Frauen gedacht, die mit Männern so schlechte Erfahrungen gemacht haben, dass sie ihnen bewusst aus dem Weg gehen möchten? Haben sie Angst vor übergriffigen Nachbarn? Da die Hausgemeinschaft in der Regel demokratisch entscheidet, wer mit im Haus wohnen darf, damit die Chemie stimmt, sollte aber eigentlich keine Gefahr bestehen, dass man sich einen Mann ins Haus holt, den seine Nachbarinnen nur schrecklich finden.. Ich sehe nämlich eigentlich eher einen Vorteil darin, auch den einen oder anderen Mann im Haus zu haben – z.B., wenn große körperliche Kraft gefragt ist. Oder einfach nur, um Zickenalarm vorzubeugen, weil so ein reines Frauenhaus ja durchaus mal zum Hühnerhof mutieren kann. Oder sehe ich da etwas falsch?

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