Kreatives Schreiben

Mittwoch, 11. Februar 2009

Lesen und lesen lassen

Sie kennen das: In einem Roman, einer Kurzgeschichte haben Hauptfigur bzw. Erzähler einen ähnlichen persönlichen Hintergrund wie der Autor oder die Autorin. Nun können Sie wetten, dass bei jeder Lesung die allererste Frage aus dem Publikum lauten wird: Wie viel Autobiographisches ist an der Geschichte? Meistens, aber nicht immer wird sie von einer Frau um die Fünfzig gestellt, der man ihre Kulturbeflissenheit nicht unbedingt ansieht, obwohl sie Deutschlehrerin an einer Realschule ist.

Was steckt hinter dieser Neugier – reiner Voyeurismus oder etwa Sorge um die Authentizität des Gehörten? Was wäre denn die größere Kunst: diese spannenden, sensationellen, schrecklichen Ereignisse am eigenen Leib erlebt, mit eigenen Augen gesehen und sie dann zu Papier gebracht zu haben? Oder aber: sie sich von vorne bis hinten auszudenken, und zwar so überzeugend, dass ein Leser meinen könnte, sie seien wirklich passiert?

Wahre Begebenheiten wahrheitsgetreu nachzuerzählen? Oder: die Worte und Sinnbilder zu finden, um Gedanken - oder auch Fragen - zu formulieren, die etwas über das Wesen der Welt aussagen, darüber wie es sich anfühlt, wie es schmeckt, riecht, aussieht, (zu jener Zeit, an jenem Ort) Mensch zu sein? Mag sein, der Leser erlebt das ganz anders und möchte ausrufen: So ist es doch gar nicht! Aber eben dieses Zweifels beraubt er oder sie sich durch allzu großen Respekt vor der Authentizität des Autobiographischen. Denn natürlich schöpft jeder, der etwas erzählt, aus dem Schatz eigener Erfahrungen und Erinnerungen - ebenso wie aus dem Füllhorn seiner Fantasie.

Warum lesen wir überhaupt? Um uns an einem spielerischen oder auch kunstvollen Umgang mit denselben Worten zu erfreuen, die wir auf unseren Einkaufszettel schreiben oder für unsere unbeholfenen Versuche benutzen, uns miteinander zu verständigen? Um der lebenslangen Einzelhaft in unserer eigenen einsamen Haut zu entfliehen, zu der Tennessee Williams uns alle verdammt sah, und das Innenleben eines anderen Menschen zu ergründen?

Und warum schreiben wir? Um der Einzelhaft in unserer Haut zu entfliehen und ein Innenleben für unsere fiktiven Figuren zu erfinden? Um uns selbst zu zwingen, unsere Erfahrungen in semantische und syntaktische Strukturen zu fassen? Um in der Fantasie und auf dem Papier Erfahrungen zu machen, die uns im Alltag so nie möglich wären? Nur aus Buchstaben ganze Welten zu bauen, die es nie gegeben hat und niemals geben wird?

Samstag, 8. November 2008

Wie man eine Kolumne schreibt

Neulich war ich mit einer Freundin verabredet, die mir leicht verwirrt gestand, dass sie auf einmal den brennenden Wunsch verspüre, zu schreiben – und das, obwohl sie immer gedacht habe, sie könne gar nicht schreiben. Was ihr denn so vorschwebe, fragte ich. „Nun ja“, sagte sie, „Blogtexte bringe ich ja schon zustande, aber ich möchte mehr. Am liebsten würde ich Kolumnen schreiben.“

Ich war schwer begeistert. Kolumnen – ja. Die würde ich auch gern schreiben. Mein ganzes schriftstellerisches Vermögen präsentieren, so wie Carrie Bradshaw in Sex And The City locker und leicht über Sex und das ganze Leben drum herum schreiben, witzige Anekdoten über Kinder, Hunde und Großmütter preisgeben, freche Seitenhiebe auf Nachbarn und Kollegen austeilen. Die besten Kolumnen werden von den ganz Großen verfasst, von den Stars unter den Journalisten und Schriftstellern. Und in Zukunft auch von meiner Freundin und mir.

Wenn da nur nicht noch das eine oder andere Problemchen wäre. Meine Freundin bekannte nämlich, dass sie gar nicht wisse, wie man überhaupt Kolumnen schreibt. Ich musste zugebeben, dass auch ich in der Hinsicht recht ahnungslos bin. „Und weißt du, was noch schlimmer ist?“ Meine Freundin blickte vollkommen zerknirscht drein: „Ich wollte mal an einem Seminar zum Kolumnenschreiben teilnehmen, aber ich habe das Auswahlverfahren nicht bestanden.“ Das machte mich nun doch etwas unsicher. Wenn man es schon nicht schaffte, einen Platz in einem Seminar zum Kolumnenschreiben zu erhalten, wie sollte man es dann erst schaffen, einen Platz in einer Zeitung oder Zeitschrift zu ergattern? Mit Foto. Und regelmäßigen Beiträgen.

Mir fiel eine Frau ein, die Bücher wie am Fließband schreibt und in allen möglichen Zeitschriften Texte veröffentlicht, natürlich auch Kolumnen. Ganz nebenbei zieht sie auch noch vier Kinder groß und ist permanent in allen nur denkbaren Online-Foren und Communities präsent. Meiner Freundin und mir war nicht ganz klar, wie man so ein Pensum bewältigt kriegt, es sei denn, man legt sich einen Klon zu. Wir schafften es ja nicht mal, so unsere niederschmetternde Erkenntnis, in unserem kleinen, kinderlosen Haushalt regelmäßig sauber zu machen.

Aber was haben eigentlich Kolumnen mit Saubermachen und Kindererziehung zu tun? Im Grunde genommen gar nichts. Außer dass alle drei hervorragende Themen für eine Kolumne wären. Als ich mal das Wort „Kolumne“ googelte, stellte ich nämlich folgendes fest: Kolumnisten scheinen selbst gar nicht zu wissen, was eine Kolumne ist. Neben Kindererziehung und dem ewigen Kampf der Geschlechter schreiben sie offenbar über kein Thema so gerne, wie über die Frage, was eigentlich eine Kolumne ist. Na, wenn das alles ist, dann kann ich das auch. Und meine Freundin sowieso. Immerhin hat sie schon mal beinah an einem Kolumnen-Seminar teilgenommen.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Laufend schreiben

Mit der Kreativität beim Schreiben ist das so eine Sache. Manchmal sprudelt sie, als hätte man das Alleinrecht auf außergewöhnliche Ideen und Gedanken gepachtet. Ständig formen sich neue Sätze im Kopf und lassen sich beliebig zu ganzen Geschichten ausbauen, sobald man sie aufschreibt. Dann wieder findet man monate- oder gar jahrelang jeden Gedanken, jedes Wort, das einem in den Sinn kommt, langweilig, nichtssagend, abgegriffen. Indem sie tausendmal ausgesprochen und durchdacht wird, verwandelt sich eine Plattitüde auch nicht in eine geniale Idee. Und etwas anderes als abgegriffenes Allgemeingut scheint man nicht von sich geben zu können.

Manchmal trügt der Schein und die Situation ist gar nicht so schlimm, wie sie aussieht. Dann fehlt nur ein wenig innerer und äußerer Abstand, vielleicht mal die kritische Beurteilung eines Fremden, und schon stellt man fest, dass man sich lediglich in seiner Beurteilung verrannt hat, nicht aber im Schreiben an sich.

Manchmal aber kriegt man wirklich nichts Gutes hin. Dann gibt es mehrere Möglichkeiten. Entweder wartet man geduldig ab, bis diese Durststrecke vorüber ist und beschäftigt sich in der Zwischenzeit mit vollkommen anderen Dingen. Wenn man sich diese Zeit aber nicht nehmen kann oder will, muss man in die Trickkiste greifen, um wieder neuen Schwung ins Hirn zu bringen.

Mein bewährtestes Rezept für einen schnellen Kreativitätsschub ist Spazierengehen. Sobald ich in Bewegung bin, fängt es in meinem Kopf automatisch an zu arbeiten. Anfangs beiße ich mich meistens an Fragen fest, die meinen Alltag betreffen. Was koche ich heute Abend? Wen lade ich zum Geburtstag ein? Was muss ich morgen unbedingt zuerst erledigen? Aber je weiter ich mich von zuhause entferne, desto mehr zerbröseln diese Alltagsfragen und vermischen sich mit äußeren Eindrücken. Der alte Mann mit der Baskenmütze erinnert mich an den Kantor in der Kirchengemeinde meiner Kindheit. Die Frau mit den weißblond gefärbten Haaren und den Stiefeln mit sehr schmalen und sehr hohen Absätzen strahlt Eleganz und Souveränität aus. Ich komme mir neben ihr wie ein Bauerntrampel vor. Die Kinder, die ihre Drachen steigen lassen, erinnern mich an einen Film, an dessen Titel ich mich nicht erinnere, und mit den Drachen schwingen sich auch meine Gedanken in die Höhe und beginnen zu fliegen.

Irgendwann nehme ich auf einmal wahr, dass sich Ideen in meinem Kopf formen, die mit meinem aktuellen Projekt zu tun haben. Erst sind es vielleicht nur ein paar holperige Worte, dann fließen ganze Sätze, und während ich mit schnellem Schritt immer weiter gehe, schreibe ich in Gedanken einen ganzen Artikel oder eine Kurzgeschichte. Die Entfernung zu meinem Schreibtisch scheint dabei eine enorm große Rolle zu spielen. Je weiter ich von daheim fort bin, desto mehr verschwinden all die Alltagsthemen, die mich blockieren und machen einer Kreativität Platz, die immer lebendiger und zuweilen auch unkonventioneller wird.

Zugfahren ist für mich daher ein anderes, gutes Medium, um diesen Zustand von Lebendigkeit zu erreichen. Vor dem Fenster zieht die Welt an mir vorbei, während sich im Inneren des Zuges ein kleiner Mikrokosmos vor mir ausbreitet, der mir, ähnlich wie beim Spazierengehen, erste Impulse gibt, die zu völlig anderen, neuen Gedanken und Geschichten führen. Wichtig ist einfach, dass sich meine Sichtweise auf die Welt im wahrsten Sinne des Wortes verändert und ich meinen Geist entspanne. Dann stellt sich die Kreativität meistens fast von selbst ein.

Falls das alles nichts hilft, dann lese ich gerne hier oder hier noch andere Tipps nach.

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Souverän schreiben

„Wenn der Autor keine Zeit zur Reifung einplant, aber trotzdem hohe Ansprüche an seine Arbeit hat, wird es unangenehm. […] Der Autor verliert den Überblick, seine Laune sinkt, der Blick richtet sich nach innen. Aus meiner Arbeit in Redaktionen und mit Autoren kenne ich nur zwei Typen, denen es nicht so geht: Zum einen diejenigen, die immer unter Zeitdruck schreiben. Der Herr gebe ihnen reichlich davon bis ans Ende ihrer Tage, denn der Druck bewahrt sie vor den Turbulenzen des kreativen Prozesses. Zum anderen jene, die über ein schier unerschütterliches Selbstbewusstsein verfügen, ein geradezu kindliches „Was soll mir schon passieren, ich kann das doch.“ Typus eins ist häufig, Typus zwei selten (zumindest in der Kombination mit echtem Talent).“

Aus: Christian Sauer, Souverän schreiben: Klassetexte ohne Stress - Wie Medienprofis kreativ und effizient arbeiten, Frankfurter Allgemeine Buch, 2007, S. 66.

Alle Autoren, Texter, Journalisten kennen das: Man muss einen Text zu einem bestimmten Termin abliefern, hat bereits gründlich recherchiert und einen ganzen Stapel Material neben sich liegen, will endlich mit dem Schreiben loslegen – und im Hirn herrscht ein totales Vakuum. Oder: Man schreibt und schreibt und schreibt, aber irgendwie ist der rote Faden abhanden gekommen, die Geschichte läuft aus dem Ruder, man kriegt sie nicht mehr zu fassen, so sehr man sich auch bemüht. Am liebsten würde man alles wegschmeißen. Quälende Selbstzweifel blockieren das Vorankommen und machen das Schreiben zu einer kräftezehrenden Angelegenheit.

Der Journalist und Coach Christian Sauer setzt sich auf unterhaltsame Weise mit der Frage auseinander, was passiert, wenn die Kreativität nur so sprudelt, und woran es liegt, dass ihr Quell gerade im entscheidenden Moment oft vollkommen zu versiegen scheint. Dieses Buch ist keiner der üblichen Ratgeber, die rasche Tipps für Schreibblockaden und unaufgeräumte Schreibtische parat halten. Vielmehr geht es in die Tiefe und beleuchtet die Gründe, die einen Schreibprozess hemmen oder fördern. Christian Sauer schaut ins Innere des Gehirns, das Höchstleistungen vollbringt und erklärt sehr anschaulich, wie komplexe Denkprozesse beim Schreiben ablaufen. Er befasst sich im Sinne von Friedemann Schulz von Thun mit dem Inneren Team, das jedem Autor beim Schreiben heimlich über die Schulter schaut und ihn antreibt oder blockiert. Kennen wir nicht alle den Träumer in uns, der innerhalb einer Stunde einen ganzen Roman schreibt? Bis der innere Kritiker auftaucht, der vernichtende Urteile über unsere Fähigkeiten fällt und uns, wenn es ganz schlecht läuft, über Jahre lähmen kann? Wie geht man mit diesem Ensemble von Mit-Autoren um?

Diese und viele weitere Fragen klärt Christian Sauer in seinem Buch "Souverän schreiben: Klassetexte ohne Stress - Wie Medienprofis kreativ und effizient arbeiten“, erschienen im Verlag Frankfurter Allgemeine Buch. Eine Empfehlung für alle Medienprofis, die das Schreiben nicht länger als anstrengenden, mühsamen Prozess erleben wollen, sondern wieder Spaß daran haben möchten.

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