Dienstag, 30. Dezember 2008

Rückwärts vorwärts

Ich mag Jahresrückblicke. Sie zeigen mir immer, dass in den letzten zwölf Monaten doch eine ganze Menge passiert ist und die Zeit keineswegs einfach nur so dahin rauschte, wie ich oft glaube. Ich schaue mir gerne die Jahresrückblicke im Fernsehen an und bin immer wieder berührt und bewegt von Ereignissen, die überhaupt nichts mit mir zu tun haben. Aber diese geballte Ladung aus Glück und Unglück führt mir indirekt mein eigenes Glück und Unglück vor Augen. Ich stelle angesichts von Naturkatastrophen, Kriegen und vielen großen, persönlichen Tragödien fest, dass ich selbst noch mal davon gekommen bin, dass mein Jahr viel besser war, als ich in den letzten Monaten manchmal dachte.

Besonders berührend finde ich jedes Mal die Momente, in denen an verstorbene Prominente erinnert wird. Große Namen, die uns oft über viele, viele Jahre wundervoll unterhalten haben. Nun sind sie dahin. Manchmal denke ich dann, dass es keine Nachfolger für sie gibt, dass keiner von den Jungen einem Paul Newman das Wasser reichen kann, dass es nie mehr so gut wird wie damals, als Walter Matthau und Jack Lemmon sich hinreißende (Wort-)Duelle geliefert haben oder Marlon Brando der Pate war. Das stimmt natürlich nicht, es liegt nur daran, dass sie alle alte Männer waren, als sie starben und auf viele Jahrzehnte Ruhm zurück blicken konnten. Ein George Clooney oder Brad Pitt werden sicher mal eine ähnliche Lücke hinterlassen, vorausgesetzt, sie halten ihren Erfolg noch ein paar Jahrzehnte aufrecht und altern in Würde.

Meine eigenen Jahresrückblicke verschwimmen gerne etwas. Ich halte mein Leben nicht so akribisch in Wort und Bild fest, dass ich jeden Monat, vielleicht sogar jeden Tag rekonstruieren könnte. Ich hangele mich an einigen wenigen Fixpunkten entlang, die besondere Höhe- oder Tiefpunkte für mich markieren. Aneinander gereiht ergeben sie mein persönliches, vergangenes Jahr, eine Handvoll Erinnerungen, die das Gefühl hinterlassen, dass die Zeit viel zu schnell verging und das Jahr viel zu kurz war. Und gleichzeitig merke ich aber bei diesen Rückblicken, dass auch mein kleines Leben angefüllt ist mit großen Ereignissen, dass es Monate gibt, in denen sich viel bewegt, Tage, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde und viele, viele Augenblicke, die gleichmäßig in der Banalität des Alltags dahin schwimmen. Gerade sie machen das Leben aus, nicht die großen Momente, in denen man im Rampenlicht steht. Die Summe meines Lebens besteht aus vielen, vielen Frühstücken, mal hastig zwischen Tür und Angel eingenommen oder gleichgültig nebenbei erledigend, während ich schon am Schreibtisch sitze, mal aber auch ausgiebig in gemütlicher Runde mit Freunden oder der Familie zelebriert. Mein Leben, das sind Hunderte langweiliger S-Bahnfahrten von A nach B, das sind ganze Stunden, die ich wartend an Supermarktkassen verbracht habe, es sind viele, viele Mal Essen kochen, Putzen, Wäsche waschen, zur Toilette gehen und Duschen.

Das Erstaunliche ist jedoch, dass in der Erinnerung nicht haften bleibt, wie lange ich in der Kälte auf dem Bahnhof stand und auf einen Zug wartete. In der Erinnerung sehe ich mich mit Kollegen in Berlin in einer Kneipe sitzen, essen und lachen. Ich erinnere mich sehr genau an unsere Gespräche und daran, was ich gegessen habe. Das ist das Entscheidende an der Geschichte, nicht die langweilige und unvermeidliche Reise. So gesehen bin ich eigentlich ganz froh, dass ich in meinem Gedächtnis nur festhalte, was mein Hirn für entscheidend hält und nicht zu jenen armen Menschen gehören, die jeden einzelnen Augenblick ihres Lebens für immer im Kopf gespeichert haben.

Aus der Erinnerung an das vergangene Jahr kann ich Kraft schöpfen. Es ist doch ganz schön viel passiert. Es ging auf und ab, vor allem aber ging es vorwärts. Mit diesem Gefühl starte ich nun ins neue Jahr: dass es vorwärts geht, wohin auch immer. In diesem Sinne danke ich den Lesern, die dieses Blog-Experiment voller Neugier und Treue auf seinen ersten Schritten ins Leben begleitet haben. Ich freue mich sehr, wenn Sie im neuen Jahr auch wieder vorbei schauen. Rutschen Sie gut in ein Jahr voller Glück und Erfüllung, voller Ruhe und Entspannung, aber auch voller Energie und Aktivität. In der Mitte liegt die Kraft. Das gilt für so ziemlich alles im Leben.

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