Montag, 6. April 2009

Das Krimi-Experiment Teil 5

Wie schafft man es, innerhalb von zwei Monaten einen ganzen Roman zu schreiben? Erstens braucht man Zeit. Zweitens Disziplin. Drittens eine gute Idee. Eigentlich hatte ich auf den ersten Blick nichts von alledem. Und dann hat es doch geklappt.

Im Dezember las ich eine Wettbewerbsausschreibung, die spannend klang. Eine Freundin lieferte mir auch prompt erste Ideen für eine Hauptfigur. Aber ich verwarf den Gedanken an das Projekt rasch wieder. Der Einsendeschluss war Ende März, und es erschien mir vollkommen unmöglich, in so kurzer Zeit einen ganzen Roman zu schreiben – zumal die Idee für eine Figur noch lange keinen guten Plot ausmacht. Da fehlte ja noch viel, genau genommen die ganze Geschichte.

Aber in mir drin brodelte und gärte es. Zu meiner Heldin gesellten sich weitere Figuren, sehr blass und verschwommen zwar, doch irgendwie geriet da etwas in Bewegung. Unmerklich reifte in meinem Unterbewussten eine Geschichte heran, die zunächst kaum mehr als eine noch sehr vage Idee war. Irgendwann im Januar schrieb ich sie auf. Im Zusammenhang gelesen klang diese Idee sehr konkret und gar nicht schlecht. Als das auch Frau Brown fand, beschloss ich, das Projekt in Angriff zu nehmen. Ich markierte im Kalender den für mich spätesten Absendetermin und stellte fest, dass ich genau acht Wochen Zeit haben würde, diesen Roman zu schreiben. Entschlossen teilte ich von diesen acht Wochen zwei ab, die ich für die Überarbeitung reservierte. Blieben also noch sechs Wochen. Sechs Wochen oder 42 Tage, in denen ich insgesamt mindestens 200 Normseiten schreiben musste. Das sind pro Woche mindestens 33, pro Tag 4-5 Seiten.

Statt meiner Kreativität freien Lauf zu lassen, übertrug ich diese äußeren Strukturen auf meine Geschichte. Ich beschloss, sie in 12 Kapitel einzuteilen, was bedeutete, dass ich pro Woche zwei Kapitel schreiben musste. In den Kapiteln hangelte ich mich an den Jahreszeiten entlang, damit schuf ich einen äußeren Rahmen, der mir später half, schnell für jedes Kapitel eine passende Stimmung zu finden. Nun verteilte ich ganz grob die Handlung auf diese 12 Kapitel. Sie war übersichtlich und würde sich in kurzer Zeit bewältigen lassen, das war mir ganz wichtig. Ich hatte keine Zeit für sehr aufwändige Recherchen und auch nicht für komplizierte Orts- und Zeitwechsel. Mein Krimi erhielt so stellenweise fast etwas Kammerspielartiges.

Ich arbeitete mich ganz chronologisch von der ersten bis zur letzten Seite vor. Die Story entwickelte sich dabei von Satz zu Satz weiter. Ich hatte nur eine grobe Richtung vorgegeben, wusste natürlich, wer der Mörder war und wie seine Opfer hießen, hatte auch kurze Biographien für die anderen Figuren geschrieben, aber die Details entstanden erst beim Schreiben. Die Figuren erhielten ihre Gesichter mit der Taufe. Ich verbrachte allein mehrere Tage mit der Namensfindung, das war ein ganz wichtiger Prozess für mich. Vor allem die Hauptfigur nannte ich mehrmals um, bis sich ihr Name richtig anhörte und las. Von dem Moment an begann diese Figur zu leben, nahmen auch die anderen Figuren äußere Gestalt an. Und damit begann auch schon das Elend. Diese Figuren waren allesamt sehr stark und eigenwillig. Sie übernahmen schnell die Regie, bereits nach dem dritten Kapitel hatten sie meine Storyline über Bord geworfen und erzählten die Geschichte auf ihre Weise. Das irritierte und verwirrte mich, denn so etwas hatte ich noch nie erlebt.

Ich hatte ursprünglich vor, kontinuierlich jeden Tag ein bisschen zu schreiben, aber das funktionierte nicht. Ich brauchte den Kopf ganz frei für meinen Krimi. Alles um mich herum musste stimmen und passen, um arbeiten zu können. So stellte ich zum Beispiel schnell fest, dass ich besser im Wohnzimmer als an meinem eigentlichen Arbeitsplatz schreiben konnte. Und ich merkte, dass ich Zeit brauchte. Zeit, um immer wieder neu in die Geschichte eintauchen zu können und in mir drin diese Art von meditativer Stimmung zu erzeugen, aus der heraus dann Gedanken und Fantasie zu Text werden. Manchmal saß ich ein, zwei Stunden am Rechner, bevor es richtig losging. Ich surfte durchs Internet, betrieb ein wenig Recherche, ließ mir unbewusst meine Geschichte durch den Kopf gehen, schrieb probehalber zwei, drei Sätze, bis es dann irgendwann lief. Dann schrieb ich allerdings auch durchaus mal ein ganzes Kapitel in einem Rutsch durch, wie im Rausch, manchmal bis spät in den Abend hinein. An anderen Tagen lief gar nichts, ich behalf mich damit, Szenen für andere Kapitel zu entwerfen oder ließ es ganz bleiben. Im Laufe der Wochen entwickelte sich ein Rhythmus, in dem ich am Stück zwei, drei Tage pro Woche (vorzugsweise am Wochenende, weil ich da die meiste Ruhe hatte) nichts anderes machte, als am Krimi zu arbeiten. Die fertigen Kapitel mailte ich an Beate Brown. So kam ich gar nicht erst in Versuchung, sie ewig zu überarbeiten. Was raus war, konnte auch erst mal aus meinem Kopf verschwinden, um Platz für das nächste Kapitel zu schaffen.

Die Überarbeitung war der schwierigste Teil. Ich war inzwischen ziemlich erschöpft, und nachdem ich das Manuskript einigen Testlesern gegeben hatte, merkte ich, wie ich zusammensackte und sich eine große innere Leere breit machte. In dieser Stimmung noch einmal ganz grundlegende Änderungen vorzunehmen, war fast nicht möglich. Dennoch überarbeitete ich jedes Kapitel noch einmal gründlich und veränderte vor allem in den Schlusskapiteln einiges deutlich. Ich bin übrigens in den ganzen acht Wochen immer im Zeitplan geblieben – und das, obwohl ich normalerweise nicht unbedingt sonderlich diszipliniert bin. Aber das Schreiben machte mir so viel Spaß, dass jedes fertige Kapitel für mich eine große Motivation war, den nächsten Teil der Geschichte in Angriff zu nehmen. Ab einem gewissen Punkt war Aufgeben kein Thema mehr. Dafür sorgten schon meine Figuren, die so lebendig waren, dass sie mich einfach nicht mehr losließen und bis in meine nächtlichen Träume hinein verfolgten. Irgendwie war ich es ihnen schuldig, ihre Geschichte fertig zu erzählen. Und das habe ich dann auch getan.

Prakti rennt (I)

Hut ab vor unserem Praktikanten! (Aber Sie wissen ja, das Tragen von Kopfbedeckungen ist in unseren Büroräumen sowieso nur bei schlechtem Wetter gestattet.) Er hat sich nicht nur das Rauchen abgewöhnt, sondern auch an einem kleinen, feinen Volkslauf über zehn Kilometer teilgenommen, ohne uns vorher was zu sagen. Behauptet er jedenfalls. In den Ergebnislisten im Internet kann ich ihn nicht finden. „Nicht unter M“, sagt er ungeduldig. „Meine Mutter hat nach der Scheidung wieder ihren Mädchennamen angenommen. Da, schau, eins höher musst du gucken.“ Tatsächlich, da ist er: „Kant, Prakti MHK 51:43“. Gar nicht schlecht fürs erste Mal!
„Hinterher war ich auch total geschafft“, erzählt er. „Ich bin viel zu schnell losgerannt, das passiert mir garantiert nicht noch mal.“
Ich grinse vor mich hin und verrate ihm lieber nicht, wie schwer es mir heute noch fällt, gerade bei kürzeren Strecken meine Tagesform richtig einzuschätzen und mir den Lauf entsprechend einzuteilen.
„Nächstes Jahr machen wir dich fit für den Hamburg-Marathon“, verspreche ich ihm statt dessen.
Der Praktikant guckt verstört. „Nächstes Jahr? Meinst du, dann bin ich noch hier? Ich will doch nicht mein Leben lang Praktikant bleiben!“
Dabei haben wir uns gerade so schön aneinander gewöhnt! „Kommt Zeit, kommt Rat“, vertröste ich ihn. „Aber falls du doch noch hier sein solltest, kriegst du von uns auf jeden Fall das Startgeld und ein Knotenpunkte-Shirt gesponsert.“ Nicht wahr, Chefin?

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