Die schwedische Eroberung

Der Hamburger Stadtteil Altona hat eine sehr spannende, wechselvolle Geschichte, in der besonders die Skandinavier eine große Rolle spielen. So stand Altona bis 1864 unter dänischer Herrschaft, und mit den Schweden gab es etliche kriegerische Auseinandersetzungen, die nicht gut für Altona ausgingen. 1713 ließ ein schwedischer General ganz Altona systematisch Haus für Haus niederbrennen und vernichtete damit ein historisch gewachsenes Stadtbild.

Jetzt kommen die Schweden wieder – doch statt Angst und Schrecken lösen sie Begeisterung bei vielen Altonaern aus. Seit Monaten hält sich das Gerücht, dass IKEA mitten in Altona, in der Großen Bergstraße eine neue Filiale errichten will. Diese Woche fiel die Entscheidung in der deutschen Zentrale, und die Zustimmung der Konzernzentrale in den Niederlanden soll angeblich nur noch eine Formsache sein.

Wenn die Entscheidung positiv ausfällt, so entsteht in Altona IKEAS erste deutsche Innenstadt-Filiale, die natürlich ein etwas anderes Konzept haben wird als die Shops mitten auf der grünen Wiese. Denn in der Stadt gibt es weder Platz für riesige Parkplätze, noch wird man in der Lage sein, ein deutlich erhöhtes Verkehrsaufkommen zu bewältigen. IKEA setzt in seiner City-Filiale also auf Kleinmöbel und Accessoires. Eine SB-Möbelhalle wird es nicht geben, große Möbel müssen die Kunden sich liefern lassen.

Was ich gut an dieser Nachricht finde: Endlich geht es mal voran mit der Großen Bergstraße, die ein ruhmloses Dasein als heruntergekommene Schmuddelecke führt – und das, wo sie einst Deutschlands erste Fußgängerzone und absolute Vorzeigeadresse war. Doch das scheint fast so lange her zu sein wie der Schwedenbrand. Mittlerweile wird die Straße zum einen von Billigramschläden und zum anderen von zwei völlig verwahrlosten Betonklötzen dominiert. Das „Forum Altona“, in dessen seit Jahren leerstehenden Läden mittlerweile zahlreiche Künstler und Stadtteilprojekte Raum gefunden haben, wird komplett umgebaut und erhält nicht nur neue Shops (die Rede ist u.a. von zwei Supermärkten), sondern will auch zukünftig Raum für Kunstprojekte schaffen. Und das ehemalige Karstadt-Gebäude (Frappant), das ebenfalls seit Jahren verfällt und ein besonders schauriges Mahnmal an architektonische Verfehlungen der 70er Jahre darstellt, soll nun also abgerissen werden und einem IKEA-Neubau weichen.
Beide Konzepte bringen auf jeden Fall Leben in die Straße, von dem auch die umliegenden Einzelhändler profitieren werden. Das ist die gute Nachricht.

Dennoch weiß ich nicht, was ich davon halten soll. Seit Jahren werden Diskussionen über die Zukunft der Großen Bergstraße geführt. Immer mal wieder gab es kleine, erfolglose Versuche, die Straße zu sanieren, die unterm Strich jedoch nur Geld gekostet haben (man denke nur an die diversen Umbauten des Straßenverlaufs von der reinen Fußgängerzone in die teilweise befahrbare Straße). Viele Anwohner wünschten sich bei Befragungen mehr Grün, Spielplätze, Parkanlagen, Wohnkonzepte für Jung und Alt, oder gar an Stelle des alten Karstadt-Gebäudes ein neues Schwimmbad als Ersatz für das Bismarckbad. Was bleibt von diesen Wünschen und Bedürfnissen? Herzlich wenig. IKEA müsste sich schon etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um ein optisch ansprechendes Gebäude zu schaffen, das für die Menschen, die hier im Viertel leben, auch äußerlich eine echte Bereicherung wäre. Und auch die Pläne für das Neue Forum sehen nicht wirklich revolutionär aus. Wie sollten sie auch – schließlich hat man dieselben Architekten beauftragt, die vor dreißig Jahren diesen Betonklotz errichtet haben.
Nicht zuletzt ist in den letzten Jahren eine spannende Subkultur in den verfallenen Gebäuden entstanden – Ateliers, Cafés, Musikclubs, die das Viertel in jedem Fall bereichert haben. Die meisten dieser Projekte werden kein Geld haben, um in den umgebauten Gebäuden bleiben zu können – auch, wenn von der Stadt betont wird, dass eine Kulturetage im Neuen Forum vorgesehen ist. Aber da hätte man sicher noch andere, bessere Lösungen finden können. Konsum geht also wieder einmal vor Kultur. Das ist schade.

Ich bin jetzt aber erst mal gespannt, wie sich das Bild der Großen Bergstraße verändern wird. Ich kann mir und allen anderen Nachbarn jedenfalls nur wünschen, dass die neueste (schwedische) Eroberung dieses Stadtteils nicht wieder zu unserem Nachteil sein wird. Von Besetzungen und Verwüstungen haben wir Altonaer nämlich allmählich genug.

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